Freitag, 12. August 2011

Kanzlerinnendemokratie ohne Kanzlerin

Angela Merkel ist untergetaucht. Sie verdingt sich dieser Tage damit, ein Phantom zu mimen, statt sich der schwierigen Aufgaben zu stellen, die sie in Zusammenarbeit mit den europäischen Staatsoberhäuptern lösen muss. Was so aussieht wie ein bedachter Schachzug unserer Kanzlerin ist in Wirklichkeit leider nicht mehr als ein neuerlicher Beweis für die Inkompetenz Merkels, den Bürgern ihre Politik zu erklären.

Die Staats- und Regierungschefs der EU dachten, dass sie sich mit dem milliardenschweren Rettungspaket für Griechenland ihren Urlaub erkaufen können. Teurer als jede Weltreise ist dieses Rettungspaket, dennoch sorgte es lediglich dafür, dass die Staatenlenker gut eine Woche durchatmen konnten. Der Plan, durch neue Griechenland-Milliarden ein Übergreifen der Schuldenkrise auf Italien und Spanien zu verhindern, ist fehlgeschlagen. Schlimmer noch, mittlerweile stehen französische Geldhäuser im Kreuzfeuer der Spekulanten, während Frankreich als Staat um seine Top-Bonität fürchten muss. Und was macht Merkel? Das weiß niemand so richtig, es wäre aber naiv anzunehmen, dass das bundesdeutsche Fähnchen, welches immer mit dem politischen Wind wandert, im Hintergrund keine Strippen ziehen würde.

Die Kanzlerin ist nicht etwa unfähig ihr Amt auszufüllen. Sie ist jedenfalls nicht unfähiger als ihre Amtsvorgänger. Problematisch ist ihre nicht vorhandene Kommunikation mit dem Volk. Natürlich sollen auch Politiker Urlaub machen. Angesichts des drohenden bzw. nahenden Zerfalls der Euro-Zone muss sich Merkel aber die Frage gefallen lassen, ob ihre Zögerlichkeit und ihr Schweigen in diesen Tagen, die von panikartigen Reaktionen an den Börsen geprägt sind, kontraproduktiv sind. Ihr Umfeld, meint hier die Bild-Zeitung, stellt sich auch schon die Frage, ob wir momentan überhaupt noch eine Regierungschefin haben. Man kann Merkel vorwerfen, dass sie von ihrer Richtlinienkompetenz, die der Kanzlerin durch das Grundgesetz garantiert ist, keinen Gebrauch macht. Während Sarkozy und Co. aufgeregt die Märkte zu beruhigen versuchen, ist es still im Amtssitz der Kanzlerin, auch wenn diese ihren Urlaub bereits beendet hat und lediglich einige "terminfreie Tage" genießt.

Dabei bräuchte Europa gerade jetzt eine mutige deutsche Regierungschefin, die wenigstens versucht, etwas gegen die ausufernde Staatsverschuldung von so manchem europäischen Nachbarn zu tun. Stattdessen wird das Zaudern immer mehr zum Markenkern der Merkelschen Vorstellung von Politik. In manchen Fällen ist es besser zu schweigen, keine Frage. Es erwartet ja auch niemand ernsthaft, dass Merkel jetzt eine frei vorgetragene Rede hält, die die Bevölkerung für die bestehenden Probleme sensibilisiert. Ein kurzes "Europa steht in der Krise eng zusammen" würde ja schon reichen, immerhin sind wir ja in der Lage, unsere Anforderungen nach unten zu schrauben.

Unsere Phantom-Kanzlerin tut sich mit ihrer Schweigsamkeit jedenfalls keinen Gefallen. Die anstehende Abstimmung im Deutschen Bundestag über die EFSF droht zum Knackpunkt für die Regierung Merkel zu werden. Denjenigen Abgeordneten, die bei zurückliegenden Abstimmungen mit der geballten Faust in der Hosentasche dem Kurs von Merkel widerwillig zugestimmt haben, dürften so langsam die Messer in den Taschen aufgehen, angesichts der fortschreitenden Kompetenzverlagerung nach Brüssel. Dies ist verständlich, wer rationalisiert sich schon selbst gerne weg?

Merkel jedenfalls täte gut daran, wenn sie ihr Phantomkostüm in den Kleiderschrank zurücklegt und stattdessen wieder damit beginnt, ihre Hosenanzug-Politik auch öffentlich zu betreiben. Anderenfalls könnte es sein, dass bei der nächsten Bundestagswahl ein ganz anderes Phantom und eine ehemalige Lichtgestalt der deutschen Politik ihr großes Comeback feiert: Karl-Theodor zu Guttenberg, ehemaliger Doktor. Wenn Merkel abdankt bzw. abdanken muss, dann könnte eben jener zu Guttenberg sein großes Comeback geben. Diesen Herbst mag es dafür noch zu früh sein, aber vielleicht rettet Merkel sich ja bis ins Jahr 2012, auch wenn dies Deutschland nur bedingt zu wünschen wäre...

2 Kommentare:

  1. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass Frau Dr. Merkel sich z.Zt. so wenig zu den aktuellen Problemen der Eurozone äußert. Wenn Sie das bisher getan hat, hat es Deutschland spätestens kurz danach immer eine Menge Geld gekostet...

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  2. Verhängnis des Vergessens

    "Wir werden also, bei sonst gleichen Verhältnissen, jenes Land als auf der höheren Stufe volkswirtschaftlicher Entwicklung stehend zu bezeichnen haben, in welchem der Mittelstand am meisten vertreten ist. Wo aber der Mittelstand sich in fortschreitender Auflösung befindet, dort haben wir eine direkt dem Verderben entgegenreifende Entwicklung vor uns, und zwar umso sicherer, je größer der Reichtum ist, welcher diesen Auflösungsprozess des Mittelstandes begleitet."

    Prof. d. Nationalökonomie Dr. Gustav Ruhland, Berlin 1895

    Die "Mutter aller Zivilisationsprobleme", die Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz, hat bisher jede Volkswirtschaft in der Geschichte der halbwegs zivilisierten Menschheit zerstört. Aber wie schon der große Zauberer Merlin bemerkte: "It is the doom of men that they forget":

    http://www.deweles.de/files/untergang.pdf

    Sowohl das Problem als auch die Lösung sind seit langer Zeit bekannt, doch vor dem eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation, der freien Marktwirtschaft ohne Kapitalismus, steht die Überwindung der Religion, die den Kulturmenschen überhaupt erst "wahnsinnig genug" für die Benutzung von Geld machte, lange bevor diese seitdem grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung wissenschaftlich erforscht war:

    http://opium-des-volkes.blogspot.com/2011/08/666-tage.html

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