Samstag, 22. Oktober 2011

Vertagte Entscheidungen

Es gibt dieser Tage nun wahrlich genügend Entscheidungen, die keinen Aufschub vertragen. Dennoch herrscht Uneinigkeit zwischen Deutschland und Frankreich hinsichtlich eines etwaigen Staatsbankrotts von Griechenland, während es unsere nationalen Polit-Granden nicht mal mehr schaffen, sich auf kleinteilige Steuerentlastungen zu verständigen. Wann wird Merkel mit ihrer Arbeit beginnen?

Eigentlich sind solche Wochen ja ein gefundenes Fressen für Beobachter des politischen Systems. Aufgeregt wird durcheinander geredet, die Nachrichtenlage ändert sich ebenso stündlich wie die Position unserer Regierung. Nur bei einer Sache scheint die Regierung Merkel sich sicher zu sein: keine Banklizenz für die EFSF.

Ganz ohne Ironie kann man hier von einem guten und richtigen Schritt der Bundesregierung sprechen. Immerhin würde das Rettungsmonster EFSF mit einer derartigen Banklizenz in die Lage versetzt, direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld zu beziehen, nicht als Ausnahme, sondern auf institutionalisiertem Wege. Die auf politische Unabhängigkeit getrimmten Zentralbanker fürchten um eben diese, wenn die EFSF mit einer Banklizenz ausgestattet werden würde. Die Aufgabe der EZB ist es nicht, für Kreditexesse privater Banken und maroder Staaten geradezustehen. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, Preisstabilität im Euro-Raum zu gewährleisten. Angesichts der für europäische Verhältnisse galoppierenden Inflationsraten scheinen die werten Herren schon mit dieser Aufgabe überfordert, warum ihnen also noch mehr aufbürden?

Aus Sicht des französischen Präsidenten ist es wohl einer der letzten Strohhalme, um die Abstufung der Kreditwürdigkeit seines Landes zu verhindern. Sarkozy will nicht an die eigene Schatulle und seine Großbanken retten, was auch daran liegt, dass sich in der eigenen Schatulle nicht viel mehr befindet als ein einsamer Knopf. Die von vielen Menschen befürchtete Situation, in der lediglich Deutschland und ein paar kleinere Länder mit Top-Bonität für die gesamte Euro-Zone bürgen müssen, wird nun zur Realität.

So wird aus dem morgigen EU-Gipfel, der einmal als Befreiungsschlag anberaumt wurde, ein Klassentreffen der Sitzenbleiber. Keine greifbaren Entscheidungen, keine endgültige Griechen-Rettung, die deutsche Regierung fährt weiter auf Sicht. Dabei wäre es mittlerweile vergleichsweise leicht, Griechenland in die Insolvenz zu schicken. Die verteufelten Finanzmärkte rechnen ohnehin mit einem derartigen Schritt, vom eigenen Wahlvolk ist in diesem Zusammenhang gar nicht erst zu sprechen. Stattdessen wird die schlechteste aller Alternativen gewählt und einfach nichts getan, frei nach dem Motto: Wer nichts macht, macht auch nichts verkehrt.

Der gestrige Koalitionsgipfel, der gefühlt 17. Neustart der schwarz-gelben Regierung, fügte sich in das Bild der Uneinigkeit ein. Nach mehr als fünf Stunden gab es keine Einigung, wortlos fuhren die Parteioberen in der Nacht vom Kanzleramt ab und ließen die Medienschar im Dunkeln.
Politiker geben normalerweise gerne Stellungnahmen am späten Abend ab. Abgekämpft, bis zur letzten Minute gefeilscht, um die eigenen Interessen und die der Wählerschaft durchzusetzen, das alles macht sich einfach gut vorm Publikum. Als Art Kontra-Indikator kann somit der Umstand gelten, wenn sich Politiker wortlos in ihre Dienstwagen setzen und ein dünnes "das entscheiden wir wann anders" zum besten geben. Der Aufschub wichtiger Entscheidungen wird immer mehr zur favorisierten Option für unsere Regierung. Der Groll bei den Liberalen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als endlich ein Mal liefern zu können und die steuerliche Entlastung durchzuboxen, dürfte entsprechend groß sein. Dieses Mal wurden sie jedoch nicht von der Mutti ausgebootet, sondern vom sozialdemokratischen Onkel aus Bayern. Horst Seehofer (CSU) fühlte sich übergangen, da spielte es auch keine Rolle, ob die geplante Herabsetzung der sogenannten kalten Progression gerecht ist oder nicht. Um im Familienbild zu bleiben: Seehofer hat schlicht sein Veto gegen die geplante Taschengeld-Erhöhung für die liberalen Pfadfinder eingelegt und somit erneut die Frage aufgeworfen, ob unsere Regierung handlungsfähig ist oder nicht.

Zurück zur europäischen Ebene: Da wir ja um die Vorliebe Merkels wissen, kurz vor knapp doch noch umzufallen und Sarkozy die Wünsche von den Augen abzulesen, ist das Durchhalten der deutschen Linie hinsichtlich der EFSF-Bankenlizenz fast schon ein Erfolg. Wie nachhaltig dieser ist, werden die kommenden Gipfeltreffen zeigen. Ich persönlich warte ja schon auf den Tag, an dem uns mitgeteilt wird, dass nun ein Arbeitskreis (neudeutsch: Task Force) gebildet wird, um die Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich auszuräumen. Einer alten politische Binsenweisheit folgend kann man so nämlich abermals ein paar Tage, im Idealfall gar Wochen herausschinden und sich um ebenso schmerzhafte wie notwendige Entscheidungen drücken. Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis...

Währenddessen wird auf den Aktienmärkten ein Kursfeuerwerk abgefackelt, durch nichts angetrieben als durch Hoffnung. Man sagt ja immer, die Aktienmärkte würden die Zukunft vorweg nehmen. In diesem Sinne dürften die kommenden Tage auch für die breiten Bevölkerungsschichten hoffnungsgeschwängert sein. Während die Aktienmärkte jedoch von einer für sie positiven Entscheidung träumen, hoffen die Völker Europas wohl eher darauf, dass überhaupt entschieden wird. Die Hoffnung stirbt ja schließlich auch zuletzt...

Donnerstag, 20. Oktober 2011

WiSoPol: Externer Artikel

Wer kennt die European Gendarmerie Force?

Viel Spaß beim Lesen!

Sonntag, 16. Oktober 2011

Die okkupierte Okkupation

Nach den gestrigen weltweiten Protesten macht sich in Deutschland Ernüchterung breit. Trotz unerwarteter Unterstützung seitens der Hauptstrom-Medien beläuft sich die Zahl der Teilnehmer auf wohlwollend geschätzte 40.000 und liegt somit unterhalb der Zuschauerzahl, die sich gestern das Bundesliga-Spiel zwischen Bayern München und Hertha BSC Berlin im Stadion angeguckt haben.

Das diffuse Gefühl, im vermeintlichen Kapitalismus laufe etwas falsch, veranlasste tausende Menschen am Samstag dazu, auf die Straßen zu gehen. Doch was genau falsch läuft, welche systemischen Wurzeln von Fäulnis befallen sind, war an diesem Tag nicht so wichtig. Eine stärkere Regulation der Banken war eine der Forderungen. Mehr soziale Gerechtigkeit und der freie Zugang zur Bildung rundeten das linke Potpourri ab. Den Blick hinter die Kulissen des wirtschafts-politischen Komplexes wagten nur wenige.

Nicht nur die ausufernde Berichterstattung der alteingesessenen Medien wunderte verschiedenste Beobachter. Auch die Okkupation der Besetzungs-Bewegung durch "Globalisierungkritiker" wie attac sorgte hier und da für Verwunderung. Nicht etwa das Zentralbank-System war Kern der Kritik, auch nicht die Probleme, die ungedecktes Geld mit sich bringt. Viel eher ging es dumpf darum, die Großbanken an den Pranger zu stellen. Selbstredend sind die nicht enden wollenden Rettungen und Stützungen für Privatbanken kritisch zu hinterfragende Aktionen, sie sind allerdings lediglich ein Symptom für das tiefergehende Problem des Schuldgeld-Systems.

Auch die Unterstützung von "linken" Parteien ließ aufhorchen. Grüne und SPD ließen sich nicht lange bitten, sie machten sich schnell mit den Protestlern gemein und begrüßten die Demonstrationen gegen die Macht der Banken und Finanzmärkte.

Dass die Finanzmärkte derart mächtig sind, liegt jedoch zu einem nicht unerheblichen Teil daran, dass die westlichen Regierungen sie gewähren ließen, auch weil die Finanzindustrie in den USA, Großbritannien und anderswo erheblich zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Insofern mutet die Solidarisierung von den Parteien, die der Entfesselung der Finanzmärkte Vorschub leisteten, doch ziemlich obskur an. Wer hat die Banken derart groß werden lassen, wer hat Fusionen zugestimmt, sollte eine Zustimmung seitens der Politik überhaupt notwendig gewesen sein?

Auch Gewerkschaften machten sich mit der Besetzungs-Bewegung gemein. Auch sie sind aber nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Systems, welches kritisiert werden sollte. Es ist doch schizophren, wenn Gewerkschaften, die seit Jahren immer weniger Mitglieder haben und für diese bis auf wenige Ausnahmen Löhne aushandeln, die unter dem Motto "Lohnzurückhaltung" durchgedrückt werden, auf einmal gegen die soziale Ungerechtigkeit wettern und sich dem Guy Fawkes-Maskenball anbiedern.

Eines jedenfalls hatten die gestrigen Proteste mit der Politik gemein: Sie verlegten sich nicht darauf, grundlegend etwas ändern zu wollen, sondern wollten durch das Herumdoktorn an seit langem bekannten Symptomen etwas bewirken.

Der mediale Hype um die Besetzungs-Bewegung jedenfalls sorgte dafür, dass wesentliche Nachrichten nur bedingt die Masse erreicht haben dürften. Außenminister Westerwelle (FDP) sprach im BamS-Interview von der Notwendigkeit, in der Öffentlichkeit über das "neue Europa" und nicht hinter verschlossenen Türen von Ministerräten zu sprechen. Was mit einem "neuen Europa" gemeint ist, wurde aus dem Interview indes nicht klar ersichtlich. Westerwelle jedenfalls wolle einen Konvent nach Artikel 48 EU-Vertrag einberufen, um eine Stabilitätsunion in Europa zu errichten. Es ist allerdings kaum vorstellbar, dass zum momentanen Zeitpunkt und auf absehbare Zeit hinaus der Wille bei den Völkern Europas vorhanden sein wird, einer weitergehenden Ausdehnung der Brüsseler Zuständigkeiten zuzustimmen.
In China droht derweil Ungemach, eine eitrig-gelbe Blase könnte im Riesenreich platzen. Und welche Geldhäuser in den nächsten Tagen untergehen könnten, war an diesem Wochenende auch nicht mehr von Belang, weil ein breites linkes Netzwerk zum Protest gegen Banken getrommelt hatte. Nicht der Umstand, dass es sich um linke Parteien und Gruppierungen handelt, ist das Problem, sondern die Tatsache, dass nicht die Individuen am Samstag im Vordergrund standen, wohl aber Fähnchen von attac & Co.

Freitag, 14. Oktober 2011

Das missglückte Säbelrasseln der USA

Nachdem in dieser Woche zunächst die Agenturmeldungen über die Ticker liefen, Teile der iranischen Regierung hätten ein Attentat auf den saudischen Botschafter in den USA geplant, wendet sich das Blatt der Berichterstattung nun und die Zweifel an der US-Version dieser Posse werden immer lauter.

In der Vergangenheit wurde ja oft über eine etwaige US-Invasion in den Iran spekuliert, auf manchen Seiten schien es fast so, als sei diese ausgemachte Sache. Indes, es fehlte ein triftiger Grund. Dieser könnte nun gefunden worden sein, nachdem die US-Regierung am Dienstag vermeintliche Attentatspläne gegen den saudischen US-Botschafter enthüllte. In die Pläne sollen "Teile der iranischen Regierung" involviert gewesen sein, wie US-Justizminister Eric Holder verkündete. Eilig schob er hinterher, dass damit nicht die Obersten der Regierung gemeint seien. Dennoch ließ er keinen Zweifel daran, dass die USA den Iran zur Verantwortung ziehen werden. In diese Kerbe schlug auch Außenministerin Clinton, die scharfe Sanktionen gegen den Iran forderte sowie eine weitergehende Isolation Teherans.

Das Säbelrasseln der USA kommt zu einer äußerst passenden Zeit, auf ganz ähnliche Weise wie die angebliche Tötung von Osama bin Laden vor ein paar Monaten. Die USA werden es sich dennoch nicht wagen, einen Krieg gegen den Iran vom Zaun zu brechen, jedenfalls nicht im Alleingang. Dies liegt nicht etwa daran, dass die USA dies nicht wollen würden, sie können es sich schlicht nicht leisten.

Bliebe noch Israel. Schon seit geraumer Zeit liebäugelt die dortige Regierung mit einem Militärschlag gegen den Iran. Israel könnte mit einem etwaigen Angriff von den eigenen sozialen Problemen ablenken, von den Demonstrationen, die vor kurzem auf eben diese Problemkreise hinwiesen. Dies gilt ebenso für die USA, der Unterschied besteht jedoch darin, dass sich Israel der "internationalen Solidarität" sicher sein kann, während das US-Militär mittlerweile daran gewöhnt sein dürfte, Kriege im Alleingang durchzuziehen.

Der vermeintliche PR-Coup entpuppt sich unterdessen als missglücktes Säbelrasseln der USA. Die Analogie zur Tötung bin Ladens ist frappierend. Das iranische Staatsoberhaupt, Ajatollah Ali Chamenei, warf den USA vor, eine Iran- bzw. Islam-Phobie schüren zu wollen. Dies werde Chamenei zufolge scheitern. Während sich die USA vor wenigen Monaten noch der internationalen Schulterklopfer, ob der Tötung bin Ladens, sicher sein konnten, weht der Wind nun offenbar aus einer anderen Richtung. Die alten Rezepte, die einen Krieg nach US-Art ermöglichten, schmecken der Welt nicht mehr, sie sind allerdings nicht etwa fad oder lind. Der Geschmack der Lüge überlagert das Rezept, auch weil sich bei vielen Leuten mittlerweile die Geschmacksnerven von den vielen Lügen erholt zu haben scheinen, die einst durch den medialen Einheitsbrei abgetötet wurden.

Das Salz in der Kriegssuppe kann keine Wirkung mehr entfalten, ein schnöder "vereitelter" Attentatsplan reicht längst nicht mehr dafür aus, dass die USA ihre geopolitischen Interessen zu verfolgen im Stande sind. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob nicht doch wieder ein paar Rebellen aus Obamas Hut gezaubert werden. Im Falle Libyens reichten diese, um einen Krieg zu rechtfertigen...

Mittwoch, 12. Oktober 2011

15. Oktober - Der Anfang vom Ende

Weltweit bereiten sich tausende Menschen auf den kommenden Samstag vor. In hunderten Städten wird an diesem Tag der Aufstand gegen die Hochfinanz und den in ihr agierenden Oligarchen geprobt. Der Augangspunkt für die Protestwelle liegt in New York, von dort aus schwappt die Welle der Empörung nun über den gesamten Globus.

Es gärt in der westlichen Welt. Zu viele Milliarden flossen in den vergangenen Jahren in die Taschen der ohnehin schon über Gebühr reichen Menschen. Zu viele Billionen wurden in die schwarzen Löcher der Bankenbilanzen gepumpt, ohne erkennbaren Effekt für die Bevölkerung. Es sind nicht die Banken, die systemrelevant sind, es sind die Bürger der Staaten, von denen Politiker, Banker und schlussendlich auch die Demokratie insgesamt abhängen.

In den deutschen Großstädten wie Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Leipzig und an vielen anderen Orten soll nun ein Zeichen gesetzt werden, wider der käuflichen Entscheidungsträger der Politik und für die Zurückerlangung der Demokratie, die in den letzten Dekaden ausgehöhlt und so in ein Zerrbild ihrer selbst verwandelt wurde.

Jeder, der die Nase voll davon hat, dass die Politik den Finanzmärkten hinterher rennt und den Großbanken jeden Wunsch von den Lippen abzulesen scheint, jeder, der der Tyrannei des Finanzmarktkapitalismus ein Ende setzen will, ist aufgerufen, sich an diesen Protesten zu beteiligen und seiner Empörung auf friedliche Art und Weise Ausdruck zu verleihen.

Bis jetzt zeichnet sich in vielen deutschen Städten eine durchaus rege Beteiligung ab, gemessen an der relativ kurzen Vorlaufzeit zur Vorbereitung der Protestzüge. Statt im Freundes- und Bekanntenkreis oder im Internet große Reden zu schwingen, ist nun die Zeit gekommen, um sich aufzuraffen und sich der überall anzutreffenden Lethargie zu entledigen. In diesem Sinne: Runter von der Couch, raus auf die Straße! Am Samstag ist ein Pflichttermin!

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Die Angst vor den 99 Prozent

Immer mehr Finanzhaie und Profiteure des vorherrschenden Finanzsystems anglo-amerikanischer Art bekommen es mit der Angst zu tun und solidarisieren sich mit den Demonstranten der Occupy Wall Street-Bewegung. Das Kalkül dahinter dürfte weniger Läuterung sein oder gar ein Umdenken, viel eher geht es diesen Menschen wohl darum, nicht vom wütenden Mob der 99 Prozent angegriffen zu werden.

Wenn Milliardäre sich über ein System aufregen, welches ihnen ihr groteskes Vermögen erst ermöglicht hat, dann liegt der übelriechende Geruch der Heuchelei über diesen. Zu Beginn der Anti-Wall Street-Bewegung wurden die Besatzer noch müde belächelt, es war wichtiger darüber zu berichten, dass diese hunderte Menschen kostenlos von einem örtlichen Pizza-Lieferanten mit Lebensmittel versorgt wurden. Das auf die Forderungen der Demonstranten eingegangen würde, konnte man nicht erwarten. Mittlerweile haben sich die Proteste jedoch über die gesamten USA ausgebreitet, was als Strohfeuer begann, droht nun den Dachstuhl der größten Volkswirtschaft der Welt zu erfassen. Die teils unverhältnismäßig harten Polizeieinsätze trugen nicht zur Beruhigung der Lage bei, ganz im Gegenteil beschleunigten sie die Ausbreitung der Proteste. Die etablierten Medien stürzten sich geradezu auf die Festnahme hunderter Demonstranten vor ein paar Tagen und leisteten der Verbreitung somit, in den meisten Fällen wohl eher unfreiwillig, Vorschub.

Die Kluft zwischen armen und reichen Menschen ist wohl nirgends größer als in den USA. Insofern ist es einzig erstaunlich, dass die US-Bürger erst jetzt opponieren. Die Einlullungsversuche der Massenmedien greifen nicht länger. Der geopolitische Stratege Zbigniew Brzezinski warnte bereits vor geraumer Zeit vor dem politischen Erwachen der Menschheit. Diese Befürchtung scheint sich nun zu bestätigen.

Da erscheint es doch geradezu lächerlich, wenn sich ein George Soros nun hinstellt und sagt, er sympathisiere mit den Demonstranten oder der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters sagt, dass er die Leute verstehen könne. Genau die Leute, die durch die Armut von Millionen ihr Vermögen erst aufbauen konnten, gerieren sich auf einmal als Samariter und äußern Verständnis? Diese Menschen haben nicht umgedacht, sie haben die grundsätzlichen Probleme ihres Reichtums nicht erkannt, der es eben erfordert, dass viele viele andere Menschen arm sind. Sie haben schlicht Angst um ihre eigene Haut und biedern sich der Protestbewegung nun an. Damit sind sie schließlich auch in der Vergangenheit gut gefahren. Die 99 Prozent werden hoffentlich nicht auf diese durchsichtigen Versuche hereinfallen und diese Menschen, auf welchen Wegen auch immer, einer kalten Enteignung unterziehen.

In diesem Sinne: "Reicher Mann und armer Mann // standen da und sahn sich an. // Und der Arme sagte bleich: // »wär ich nicht arm, wärst du nicht reich«." Bertolt Brecht

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Der schleichende Kollaps der Euro-Zone

Während sich die griechische Bevölkerung nicht länger auf der Nase herumtanzen lässt und ihrem Unmut über die nicht enden wollenden Spar- und Rettungspakete Ausdruck verleiht, rückt erneut Italien in das Schlaglicht der internationalen Hochfinanz. Selbst kühne Optimisten rechnen derweil mit einem Schuldenschnitt für Griechenland, obschon dieser dem deutsch-französischen Tandem im sprichwörtlichen Halse stecken bleiben könnte.

Die Lage hatte sich in den vergangenen Tagen etwas beruhigt, zumindest innerhalb der Medien wich die Panik einem apathischen Schulterzucken. Nun ist es ja nicht so, dass diese Entwicklungen niemand vorhergesehen hat. Ob auf WiSoPol.de oder auf den zig anderen Seiten, auf denen sich selbsternannte Hobbyökonomen die Klinke in die Hand geben, bereits vor Monaten war zu lesen, dass ein Schuldenschnitt das beste für die Hellenen wäre.

Dennoch wurde stur, fast schon trotzig, am bekannten Schema F festgehalten. Der Internationale Währungsfonds hatte schließlich ein Patentrezept in der Schublade, welches oft erprobt, jedoch nur selten erfolgreich war. Der IWF verordnet Schuldenländern nämlich stets eine Radikalkur, die unter anderem aus massiven Kürzungen und Einsparungen im öffentlichen Sektor besteht. Sicher ist es richtig, dass der griechische Staat und sein Beamtenapparat sehr ineffizient arbeitet. Ein Blick in die deutsche Geschichte reicht jedoch, um zu erkennen, dass man nicht in eine Krise hinein sparen kann. Auch dadurch wurde doch den Nationalsozialisten Anfang der 1930er-Jahre der Weg geebnet, der sogenannte Hungerkanzler Heinrich Brüning sparte die Weimarer Republik kaputt und sorgte so dafür, dass die ohnehin wackelige erste Demokratie auf deutschem Boden von einem Österreicher ausgehöhlt und schlussendlich in einen totalitären Staat umgewandelt wurde. Dennoch oder gerade deshalb hält der IWF an seinem Mantra der Deregulierung, Privatisierung und Verschlankung des Staates fest. Wie man anhand der neuen Statistiken rund um die griechische Wirtschaft sieht, kann auch dieses Spardiktat als gescheitert betrachtet werden.

Da stellt sich dem Beobachter der Szenerie doch eine entscheidende Frage: Wenn Griechenland die Sparvorgaben aus Brüssel und Washington D.C. nicht erfüllt, warum wird dann überhaupt noch darüber nachgedacht, die nächste Griechenland-Tranche in Höhe von acht Milliarden €uro eventuell auszubezahlen? Sollte diese Tranche ausgezahlt werden, gibt sich die Troika, bestehend aus Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und eben jenem IWF, der Lächerlichkeit preis. Das Signal wäre, dass es keine Rolle spielt, ob sich an Sparvorgaben gehalten wurde oder nicht, das Geld fließt trotzdem. Ich höre schon den bundesdeutschen Hosenanzug quaken, Griechenland sei systemrelevant und müsse deswegen unbedingt gerettet werden.

Im Gegensatz zum netten Plausch beim Schwiegersohn der Nation musste sich unsere hochverehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel (CDU) am gestrigen Dienstag so einiges anhören. In Magdeburg stand die letzte CDU-Regionalkonferenz an und nicht wenige CDUler nutzten diese Veranstaltung als Ventil für die eigene Unzufriedenheit mit der Fahne im Wind. Merkel, ganz Gebetsmühle, wiederholte ihre gestanzten Worthülsen und verwies abermals darauf, dass ein Schuldenschnitt für Griechenland erhebliche Gefahren berge, als sei dies bei den mannigfaltigen Rettungspaketen nicht so.
Ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble fuhr ihr in Luxemburg in die Parade. Dort war er anlässlich eines Treffens der Euro-Finanzminister. Es sei "intensiv" über einen Schuldenschnitt für Griechenland debattiert worden, ließ er Journalisten nach dem Treffen wissen. Selbst der letzte wirkliche Merkel-Verbündete vollzieht also unter dem Deckmäntelchen der anderen Euro-Finanzminister eine veritable Absatzbewegung von der Kanzlerin.

Am späten Dienstagabend schließlich verkündete die Ratingagentur Moody's, dass die italienische Kreditwürdigkeit gleich um drei Stufen herabgestuft wurde. Damit war nun wieder eines der adipösen Euro-Länder ins Scheinwerferlicht gerückt, welche zu fett sind, um gerettet werden zu können. Der Schuldenwurm frisst sich heiter weiter durch Europa, während die Eliten der Politik zusehends nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Und wenn dann doch mal einer von ihnen eine Idee hat, wird diese von den sogenannten Euro-Partnern kassiert, unter welchen fadenscheinigen Begründungen auch immer. Man darf gespannt sein, wie lange die Euro-Gralshüter noch an der Währung festhalten. Im Hintergrund jedenfalls dürften bereits seit längerem Vorkehrungen getroffen worden sein, eine etwaige Implosion des Euro vermittels der Einführung temporärer nationaler Währungen abzufedern. Wahrscheinlich getrauen sich diese Status quo-Politiker, die unsägliche Angst vor einer Veränderung haben, eine derartige Umwälzung aber erst dann, wenn das französische AAA-Rating fällt beziehungsweise wenn die Top-Bonität Deutschlands auf dem Spiel steht. Erst dann nämlich droht das zur Realität zu werden, was der Chef der Finanzdienstleistungsaufsicht, Jochen Sanio, vor einigen Monaten bezüglich einer Bankenrettung im kleinen Kreis zum besten gab: „Sonst kommen die Steuerzahler und hängen uns alle auf“. Immerhin: Genügend Laternen gäbe es für diese extreme Form des Volksprotests.

Die Bemühungen, Griechenland finanziell am Leben zu erhalten, wenigstens bis der dauerhafte Rettungsschirm ESM durch die europäischen Parlamente gepeitscht wurde, werden nicht erfolgreich sein. Bis heute ist noch nicht einmal die Erweiterung der EFSF von allen Euro-Parlamenten gebilligt worden und die Abstimmungen über den ESM wurden auf das Frühjahr des kommenden Jahres verschoben. Diese Auslagerung auf die Zukunft ist neuerdings die große Mode der EU und der Euro-Länder. Nicht umsonst wurde beispielsweise die hochgejubelte spanische Schuldengrenze auf das Jahr 2020 datiert. Genügend Zeit also, um "strukturelle Anpassungen" oder ähnliches an dieser vornehmen zu können.

Wie dem auch sei, in Griechenland zeigt sich das Dilemma eines völlig überschuldeten Staates: Einsparungen verschärfen die wirtschaftliche Lage, mehr Geld ausgeben lässt sich aber auch nicht, da man ja überschuldet ist. Dieses Szenario blüht mittelfristig auch Kerneuropa. Wobei mittelfristig in diesen Tagen eher Monate, denn Jahre meint.

Samstag, 1. Oktober 2011

Das Land der unbegrenzten Tödlichkeiten

Das unser Friedensnobelpreisträger keine weiße Taube auf seiner Schulter sitzen hat, wusste die informierte Öffentlichkeit noch vor der Preisverleihung in Oslo im Jahr 2009. Nun aber zeigt sich, dass die Aufgabe eines Nationalstaates, seine eigene Bevölkerung im In- und Ausland zu schützen, ins Gegenteil verklärt wurde. Anwar al-Awlaki, US-Staatsbürger und "Hassprediger", wurde bei einem Drohnenangriff im Jemen getötet.


Jenseits des Atlantiks ist nun eine Debatte darüber entbrannt, ob Obama seine eigene Bevölkerung töten lassen darf. Die Begründungen für die Exekution al-Awlakis sind an den Haaren herbeigezogen. Die Situation im Jemen hätte eine Verhaftung des Getöteten nicht zugelassen, lautet eine Begründung der US-Administration. Wenn man jemanden nicht festnehmen kann, hat dieser also sein Recht auf Leben verwirkt und darf getötet werden.
Außerdem hätte er sich in einem bewaffneten Konflikt der Gegenseite angeschlossen, somit hätte man ihn nicht nur töten können, sondern sogar müssen, er ist ja ein Feind. Und schließlich durfte auch die generelle Begründung, nach der al-Awlaki eine "unmittelbare Bedrohung" für andere Amerikaner dargestellt hätte, nicht fehlen. Immerhin war er im Jemen, lächerliche 13.000 Kilometer von den USA entfernt. Eine Salve des AK-47 hätte also dutzende Zivilisten auf US-Territorium töten können, eine Erschießung war unausweichlich.


Wie viel Wert ein Menschenleben für den amtierenden US-Präsidenten hat, zeigt der Umstand, dass das Telefon al-Awlakis nur mit einem richterlichen Beschluss hätte abgehört werden dürfen, zur Exekution des US-Staatsbürgers war dies allerdings nicht notwendig. Auch die Aussagen Obamas, nach denen Terrorverdächtige nicht ohne fairen Prozess festgehalten werden dürfen, erscheinen angesichts der Tötung als wenig einleuchtend. Der "bedeutende Meilenstein" im Kampf gegen den Terrorismus, den Obama durch die Erschießung des US-Bürgers erreicht glaubt, ist indes nicht viel mehr, als ein Zeuge dafür, in welchem Ausmaß die Hatz nach Terroristen dem Verfassungskenner Obama die Sinne vernebelt hat. Vielleicht aber auch nur ein Zeuge für die Depressionen, an denen Obama angeblich leidet.


Der US-Präsident verkriecht sich hinter dem US-Justizministerium, da dieses die Tötung des "Top-Terroristen" zuvor abgesegnet habe. Viele andere US-Juristen zweifeln dagegen an der Rechtmäßigkeit der Tötung. Sie werfen Obama vor, gegen nationales Recht verstoßen zu haben und die US-Verfassung zu missachten. Im Kampf gegen den Terror kann auf derlei Nebensächlichkeiten natürlich keine Rücksicht genommen werden, schließlich geht es um sicherheitspolitische Aspekte, da sind demokratische Prinzipien hinderlich und lästig.


Der Tod von al-Awlaki, der der erste US-Bürger auf der "schwarzen Liste" der CIA und dementsprechend zum Abschuss freigegeben war, ist tatsächlich ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der USA. Die Aushöhlung der Demokratie ist spätestens jetzt im Kern des Demokratischen angekommen. In diesem Kern finden sich solche Banalitäten wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Leben. Diese Rechte gelten seit der Unabhängigkeitserklärung für jeden US-Bürger. Diese Allgemeingültigkeit ist nicht erst seit der Tötung von Terroristen obsolet geworden, die Todesstrafe in den USA deutet darauf hin, dass die USA als Land der unbegrenzten Tödlichkeiten angesehen werden kann.