Donnerstag, 29. September 2011

WiSoPol: Externer Artikel auf TheIntelligence

EFSF-Abstimmung: Die parlamentarische Farce

Viel Spaß beim Lesen!

Dienstag, 27. September 2011

Wie aus einem Euro acht werden...

Die Zweckgesellschaft EFSF soll eine neue Zweckgesellschaft mit Kapital ausstatten, damit diese neue Zweckgesellschaft Staatsanleihen europäischer Länder direkt von diesen kaufen kann. Weiterhin darf die neue Zweckgesellschaft eigene Anleihen ausgeben und diese bei der EZB hinterlegen. Obendrauf gibt es noch eine Banklizenz. Die Europäer leben den amerikanischen Traum...

Der neueste Vorschlag aus Übersee, der laut dem US-Fernsehsender "CNBC" schon konkrete Formen angenommen hat, reiht sich ein in die Reihe der verzweifelten Versuche der Politiker, der Krise Herr zu werden. US-Finanzminister Geithner hatte schon am Wochenende auf der IWF-Tagung angemahnt, dass die Europäer mehr tun müssten, auch US-Präsident Obama kritisierte die Zögerlichkeit der Europäer. Nun soll es also eine neue Zweckgesellschaft richten, die von der alten Zweckgesellschaft, der EFSF, mit Kapital ausgestattet werden soll.

Anders als die EFSF soll diese nicht nur am Kapitalmarkt Staatsanleihen maroder europäischer Länder kaufen können, sondern auch direkt von den jeweiligen Ländern. Damit umgeht man den lästigen Markt und rückt näher zusammen, die befürchtete Schuldenunion wird konkret. Die EZB, die entgegen der eigenen Statuten momentan Staatsanleihen der Euro-Länder aufkauft, würde dadurch dem Vernehmen nach entlastet werden.

Die neue Zweckgesellschaft kann aber noch viel mehr: Sie darf beispielsweise eigene Anleihen ausgeben. Die Staatsanleihen Griechenlands und der anderen PIIGS-Staaten werden im Sinne des Outsourcing von der EZB weg- und zur Zweckgesellschaft hingeleitet. Diese Zweckgesellschaft könnte dann, weil sie ja so solvent ist, eigene Anleihen bei der EZB hinterlegen und sich bei dieser frisches Kapital besorgen, ergo eine Art Banklizenz erhalten.

Was bringt dieses neuerliche Vabanquespiel? Ziel ist es laut CNBC, dass diese neue Zweckgesellschaft Fremdkapital auftreibt, um so eine Hebelwirkung auf die vorhandenen Euro, die diese Zweckgesellschaft von der anderen Zweckgesellschaft EFSF erhält, zu ermöglichen. Im Raum steht, dass aus einem eingezahlten Euro bis zu acht Euro werden können. Dadurch verspricht man sich jenseits des Atlantiks eine bessere Ausstattung der immer neuen Rettungsschirme und Zweckgesellschaften.

Selbstredend dementiert Finanzminister Schäuble (CDU) derzeit noch vehement derartige Pläne. Nicht etwa, weil er sie tatsächlich nicht umsetzen wollte. Am Donnerstag steht aber noch eine lästige, weil rest-demokratische, Abstimmung im deutschen Bundestag an. Bei dieser geht es nicht um diese Pläne, sondern zunächst einmal um eine Ausweitung der EFSF und ein paar Milliarden mehr. Die FDP kritisierte, dass wenige Tage vor der Abstimmung über die EFSF-Ausweitung schon wieder gänzlich neue und tiefgreifendere Pläne auf den Tisch kommen. Eilig ließ Schäuble durchblicken, dass er von derartigen Plänen natürlich überhaupt nichts hielte.

Die Süchtigen an der deutschen Börse kümmern sich um derartige Aussagen herzlich wenig: Ein Kursanstieg von mehr als drei Prozent beim DAX am Dienstag zeugt davon. Die zuletzt arg gebeutelten Finanzwerte gewannen ebenfalls kräftig. Es stellen sich also zwei Fragen: Wer ist in Europa Koch und wer ist Kellner? Sicher, das uns die Amis reinreden, ist jetzt nichts soooo Neues. Lediglich die Vehemenz, mit der diese ihre Pläne zur Rettung des alten Kontinents vortragen, überrascht etwas. Immerhin könnte man ja auch zu dem Schluss kommen, dass die USA vor der eigenen Haustür genügend Probleme hat, beispielsweise eine hohe Arbeitslosigkeit, ein gelähmtes politisches System oder ein Millionen-Heer von Menschen, die auf Lebensmittelmarken angewiesen sind.
Die andere Frage, die sich stellt, ist, ob man Schäuble Glauben schenken darf, wenn er die oben vorgestellten Pläne ablehnt bzw. ob diese Ablehnung auch nach Donnerstag noch Bestand hat, wenn die EFSF-Erweiterung durch den Bundestag gepeitscht wird, selbstredend mit freundlicher Unterstützung von SPD und Grünen.

Zunächst dürfen wir uns aber auf die Abstimmung am Donnerstag freuen. Ob der Auftritt Merkels beim Talkmaster der Nation die eigenen Reihen tatsächlich geschlossen hat und ob es folglich zu einer Kanzlerinnen-Mehrheit reicht, ist bis zuletzt ungewiss. Wahrscheinlich reicht es knapp für Merkel, die Abgeordneten lassen sich bestimmt irgendwie einlullen, von den Skeptikern, die im Vorfeld bereits ihr Nein angekündigt haben, einmal abgesehen. Die vielen Unentschlossenen wird die Fraktion schon auf Linie bringen. Damit stünde einem weiteren Akt im europäischen Drama nichts mehr im Wege.

Montag, 26. September 2011

2011 vs. 2008

Mit alten Rezepten auf neue Probleme zu reagieren, war noch nie ein probates Mittel. Was 2008 noch funktionierte, ist nun obsolet. Ob nun die wimmernden Aufrufe an die Staaten, erneut einige Milliarden oder Billionen in die Hand zu nehmen oder der Abverkauf des Papiergoldes: Die alten Rezepte entfalten keine Wirkung mehr.

Was ist am Wochenende und heute nicht alles geschrieben worden. Die Blase am Gold- und Silbermarkt wäre geplatzt, der Traum der ewig steigenden Kurse ausgeträumt und überhaupt habe ja eigentlich jeder gewusst, dass die Edelmetalle keine Gewinne abwerfen würden. Natürlich ist eine Blase geplatzt, nur eben nicht bei den physischen Edelmetallen. Während die Papiergold-Kurse heute erneute Verluste einfuhren, berichten viele Edelmetall-Händler vom umsatzstärksten Tag seit 2008. Die einschlägigen Webseiten sind nur schlecht oder gar nicht zu erreichen, vor den Edelmetall-Händlern bilden sich zuweilen Schlangen, die eine mehrstündige Wartezeit verheißen. Während in 2008 noch alle Welt in Staatsanleihen flüchtete, weil diese schießlich "sicher" seien, scheint dieses Mal mit des Volkes Füßen über die Zukunft abgestimmt zu werden.
Währenddessen stiegen heute die Aktienkurse und der geneigte Beobachter fragt sich zu Recht: Warum stiegen die Kurse eigentlich?

Als im Jahr 2008 Lehman Bankrott ging, sanken die Papiergold-Kurse ebenfalls. Die Hintergründe des damaligen und heutigen Kursverfalls sind Gegenstand der Spekulation über Kartelle, dubiosen Hintermännern und anderen Gestalten und sollen dementsprechend an dieser Stelle nicht besprochen werden. Viel eher stehen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Jahre 2008 und 2011 im Vordergrund. Damals wurden nicht wenige aus ihrem Tiefschlaf geweckt, viele Menschen machten sich ihre Gedanken um das Weltfinanzsystem. Die wenigsten von ihnen sind seit diesem Zeitpunkt der Ansicht, dass unser derzeitiges Papiergeld-System, in dem "Geld" durch nichts gedeckt ist und dementsprechend mit einem Mausklick erschaffen werden kann, der Weisheit letzter Schluss ist. Viel eher begriffen die Menschen, dass etwas nicht stimmt.

Dieses diffuse Gefühl veranlasste Menschen dazu, sich tiefergehend mit dem heute vorherrschenden Finanzmarkt-Kapitalismus zu beschäftigen. Sie erfuhren, dass das "Wachstum", welches angloamerikanische Großbanken erwirtschafteten, nicht viel mehr war, als ein riesiges Schneeball-System, in dem der verliert, der zum Ende der Musik die Scheiße, die er in seinen Händen hielt, nicht einem anderen Doofen angedreht hatte.

2008 begnügten sich auch Viele damit, dass Milliarden und Billionen zur Rettung eines Systems aufgewendet wurden, welches die Meisten gar nicht verstanden hatten. Ferner unterstützten sie diese Rettungsversuche der Nationalstaaten auch noch, immerhin ging es ums System. Drei Jahre später zeigt sich nun, dass diese Unterstützung bröckelt. Auch wird die Frage, wie viel Rettungen und wie viele Milliarden denn noch notwendig seien, um das (nicht zu rettende) System zu schützen, offen gestellt.

Der Gipsnacken Deutschlands jedenfalls zeigte sich am Sonntag in einer Fernsehsendung betont resolut. Der hohle Hosenanzug verdingte sich die Zeit mit einem netten Plausch und mit einem noch viel netteren Fragensteller. Beruhigung war das oberste Gebot der Stunde. Da verkam der Umstand, dass sich der Gast selbst eingeladen hatte, fast zur Randnotiz.

Im Gegensatz zu 2008ff. scheinen derartige Bemühungen in diesem Jahr von wenig Erfolg gekrönt zu sein. Die legendäre Versicherung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verhinderte einen Banken-Run, wie beide heute freimütig zugeben. Er sei zwar rechtlich nicht unbedingt einwandfrei gewesen, aber immerhin habe er seine Wirkung nicht verfehlt. Diese Politik der verbrannten Erde verdeutlicht, wie schlimm es bereits damals um das System, was wir angeblich alle irgendwie unterstützen, stand. Der Köder von damals lockt heute niemanden mehr. Er ist zur erneuten Verwendung nicht geeignet.

Die Missachtung von grundsätzlichen Marktprinzipien, die sich Großbanken und Politiker gleichermaßen auf ihre jeweiligen Fahnen schreiben, zeigt doch vor allem, dass wir im Bezug auf Geldhäuser nicht mehr von einer Marktwirtschaft sprechen können. Das Risiko, einen Totalverlust mit seiner Unternehmung zu erleiden, gemeinhin auch als unternehmerisches Risiko bezeichnet, existiert nicht mehr, seit die Floskel "too big to fail" aufgekommen ist. Die Politik erteilt den mächtigen Finanzinstituten eine Absolution und die Völker feiern dies auch noch als gelungenen Coup. Dieses Verhalten erinnert an jenes von Sklaven, die sich darüber freuen, dass der Besitzer einen größere Profit eingefahren hat, unwissend, dass der größere Profit von heute das Minimum von morgen ist.

Im Unterschied dazu drängen sich im Jahr 2011 wesentlichere Fragen auf. Beispielsweise die, warum Banken eigentlich nicht pleite gehen dürfen oder warum Politiker über Steuergelder, die noch nicht mal abgeführt wurden und in den nächsten Jahren auch nicht abgeführt werden, in Milliardenhöhe entscheiden können, um Geldhäuser zu retten. Das Verständnis für die Rettungsaktionen schwindet und damit auch das Verständnis für das System des Westens, was bestenfalls als korrumpierter Kapitalismus zu bezeichnen ist, im schlechtesten Fall als ein Diktat der Geldelite.

Überhaupt erscheinen die Ideen, die dieser Tage durch die Medien schwirren, als wenig tragfähig. Noch mal ein paar Billionen mehr, damit endlich Ruhe ist, wenn auch nur Friedhofs-Ruhe. Im Idealfall sollte man darüber nachdenken, den Euro-Rettungsschirm mit unbegrenzten Finanzmitteln auszustatten. Auch eine Möglichkeit, die eigenen politischen Handlungen als alternativlos in Stein zu meißeln. Indes wird dieser wirklich nur noch als lächerlich zu bezeichnende Plan nicht umgesetzt werden, auch wenn US-Finanzminister Geithner den Europäern in den Ohren liegt, ja fast schon bettelt.
Frankreich steht kurz davor, sein Top-Rating AAA zu verlieren, womit den verschiedenen Euro-Rettungsschirmen ein gewichtiger Zahlerstaat abhanden kommen würde. Ob in einem solchen Fall des AAA-Verlusts davon ausgegangen werden kann, dass die jeweiligen Länder auch dann für den Notfall in anderen Euro-Ländern bereitstehen würden, wenn sie selbst Finanzierungsschwierigkeiten haben, darf bezweifelt werden. Zumindest dürfte der Unmut, für ein einzelnes oder mehrere andere Euro-Länder und deren Schulden gerade stehen zu müssen, in den jeweiligen Zahlerstaaten seitens der Bevölkerung durchaus groß sein. Deutschland hat sich übrigens gerade von der Ratingagentur S&P anhören dürfen, dass eine Ausweitung der EFSF auch Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik hätte.

Die "alternativlosen" Rettungen waren nie alternativlos, sie wurden nur von Politikern durchgeführt, denen der Erhalt des Status quo über alles geht, auch und gerade über die eigene Bevölkerung. 2011 ist eine völlig andere Situation als noch 2008, eben weil Staaten wanken, eben weil immer mehr Menschen verstanden haben, dass das Weltwirtschaftswachstum zu einem guten Teil aus heißer Luft produziert wird und weil die Legitimation durch das Volk hüben wie drüben eher nicht als gegeben zu betrachten ist.
Auch wenn uns die gleichen Birnen den selben Mist erneut erzählen und darauf hoffen, dass der Dummbatz vor der Glotze dies nicht mitbekommt. Mal sehen, ob diese Hoffnung berechtigt ist...

Freitag, 23. September 2011

Das Börsen-Blutbad

Die Tanzeinlage von Ben Bernanke hat dem Weltfinanzsystem nicht den erhofften Kick nach oben verliehen. Die Junkies an Finanzplätzen verlangen nach größeren Spritzen, ein lumpiger Anleihentausch, der mit "Operation Twist" eingeleitet wurde, reicht da schon längst nicht mehr aus. Die Herde der "Finanzexperten" verfährt in dieser nicht alltäglichen Situation dennoch stur nach Schema F.

400 Milliarden US-Dollar will Bernanke durch das Abstoßen kurzfristiger Anleihen einnehmen. Dieses Geld soll zum Ankauf langlaufender Staatsanleihen genutzt werden, wodurch die Zinsen auf diese sinken würden. Davon erhoffte sich der Fed-Chef eine belebende Wirkung auf die US-Wirtschaft und auf die Finanzplätze dieser Welt. Deren Akteure indes hatten sich mehr versprochen, nicht wenige dürften insgeheim auf ein neues Programm der "quanitativen Lockerung" gehofft haben. Hinter diesem technischen Begriff verbirgt sich nichts anderes, als das Anwerfen der Druckerpressen. Da der Werkzeugkoffer von Heli-Ben aber leer ist, versuchte er mit der "Operation Twist" das zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Folglich schlug dieser Plan fehl, die Börsen kennen seit den Einlassungen von Bernanke nur noch eine Richtung, nämlich die südliche.

Die Finanzwerte des Westens stehen ja bereits seit Wochen unter heftigem Verkaufs-Beschuss. Aber selbst wenn man denkt, dass es nicht viel weiter nach unten gehen könnte, verlieren die Großbanken nochmal 4-5 Prozent und strafen die hoffnungsvollen Optimisten, die bei jeder Seitwärtsbewegung der Charts eine Bodenbildung ausgemacht haben wollen, Lügen. Nach der Ankündigung Bernankes wird der Verkaufsdruck auch auf Rohstoffe aller Art zusehends größer, Erdöl, Silber und Gold kamen die vergangenen zwei Tage ebenfalls unter die Räder. Die Herde der "Finanzexperten" macht das, was sie immer macht, wenn die Alarmsysteme des Weltfinanzsystems dichten Qualm aus dem Motorraum melden: Sie versuchen alles zu Cash zu machen und rennen in vermeintlich sichere Staatsanleihen ausgewählter Länder, unter ihnen auch Deutschland.

Die Probleme der europäischen Großbanken scheinen auch nicht durch die Öffnung der Dollar-Schleusen der Zentralbanken behoben werden zu können. Sobald die erste Bank fällt, dürfte das auf Schuldgeld basierende Kartenhaus Weltfinanzsystem wenigstens in Teilen erneut zusammenbrechen, ähnlich wie im Jahr 2008. Der Unterschied zwischen heute und damals besteht darin, dass nunmehr niemand mehr da ist, der die jeweilige Bank retten könnte bzw. wollte. Die Staaten als Kreditgeber der letzten Zuflucht haben sich bereits mit Billionen vollgesogen und einige von ihnen stehen ebenfalls am Rande der Insolvenz, allen voran natürlich Griechenland, Italien, Spanien und die anderen üblichen Verdächtigen.

Bloß gut, dass zunächst ein Wochenende ansteht: Die Börsen haben zu, der Papst ist in Deutschland und Fußball läuft auch. Zeit zum Abschalten ist also vorhanden. Davon dürften die Lenker und Macher des Finanzsystems wenig mitbekommen, auf sie wartet erneut ein arbeitsreiches Wochenende, an dem sie nun versuchen müssen, den Laden am Laufen zu halten. Lediglich das Wie dürfte noch nicht feststehen, überhaupt gehen dem System die Alternativen aus. Allen Rettungsversuchen zum Trotz stagniert die US-Wirtschaft, auch aus China kommen wenig freudig stimmende Nachrichten und die EU ist momentan ohnehin am meisten mit sich selbst beschäftigt. Wir dürfen gespannt sein, was sich die Damen und Herren am Wochenende ausdenken, immerhin trifft sich die G20, der IWF und die Weltbank. Genug Gelegenheiten also, um das Weltfinanzsystem endgültig zu retten. Oder wenigstens für ein paar Wochen...

Sonntag, 18. September 2011

Schwarz-rote Planspiele vs. rot-grüne Regierung

Während sich die FDP zu einer nationalliberalen Partei entwickelt, loten Unionspolitiker ein Bündnis mit den Sozialdemokraten aus. Der Wunsch nach Kontinuität ist groß, nachdem zum Ende der vergangenen Woche die weltgrößten Zentralbanken die westlichen Politiker in helle Aufregung versetzten und abermals die Geldschleusen öffneten. Die Sozialdemokraten fordern ihrerseits Neuwahlen, es kommt für sie nicht in Betracht, erneut der Juniorpartner von Merkel zu sein.

Wirtschaftsminister Rösler (FDP) muss zusehends um den Rückhalt in seiner Partei fürchten. Es ist abzusehen, dass Teile der FDP der geplanten Aufstockung des aktuellen EU-Rettungsschirms EFSF nicht zustimmen werden. Was für Merkel hochnotpeinlich werden könnte, immerhin steht die prestigeträchtige Kanzlermehrheit zur Disposition, ist für die FDP die scheinbar einzige Möglichkeit, endlich mal wieder bei den Wählern zu punkten. Ob ihnen dies bereits bei der heutigen Wahl in Berlin gelingen wird, darf bezweifelt werden. Ein erneuter Rauswurf aus einem Landesparlament dürfte dieses Mal auch an Rösler kleben bleiben, da er versuchte, kurz vor der Wahl mit einer Kursänderung die Wähler auf seine Seite zu ziehen.

Auch wenn es der FDP bei der heutigen Wahl nicht gelingen sollte, die Fünf-Prozent-Marke zu überspringen, so ist die Absatzbewegung dennoch geeignet, künftig wieder mehr Leute dazu zu bewegen, ihr Kreuz bei der FDP zu machen. Viele Bundesbürger attestieren Merkel ein schlechtes Krisen-Management, die Mehrheit ist überdies gegen weitere Hilfen für die Euro-Krisenländer Griechenland und Co.
Der Coup könnte insofern klappen, als die FDP ihr Fähnchen in einen für sie günstigen Wind gehangen hat. Halten die Liberalen allerdings an ihrer Linie fest, so müssten sie sich auch auf den Verlust ihrer Regierungsbeteiligung einstellen.

Kanzlerin Merkel (CDU), ganz Machtmensch, sondiert bereits Möglichkeiten mit dem sozialdemokratischen Flügel ihrer Einheits-Partei, der SPD. Diese jedoch weiden sich momentan zusammen mit den Grünen in guten Umfragewerten und Wahlergebnissen. Es besteht folglich kaum ein Interesse daran, dass die Sozis als Juniorpartner in eine "Koalition für Deutschland" einsteigen. Die Erfahrungen damit sind alles andere als gut, bei der letzten Großen Koalition zwischen 2005 und 2009 heimste vordergründig die Merkel-CDU die Lorbeeren für die massiven Banken-, Euro- und Wirtschaftsrettungen ein, während die SPD dafür abgestraft wurde, sich als "Staatsräson"-Partei zu gerieren.

So oder so wird die Luft für Merkel also dünner. Ein Angebot der SPD und Grünen lautet, in Europa-Fragen den Kurs von Merkel mitzutragen, bis Neuwahlen zum Bundestag einen Machtwechsel im politischen Berlin einleiten. Dieses rot-grüne Regierungsbündnis würde Deutschland und Europa sehr gerne mit Eurobonds beglücken, es ist ebenso unkritisch gegenüber der EU und dürfte noch mehr Steuergelder zu den ohnehin schon schwachsinnig hohen Garantien hinzufügen, um den Euro zu retten.

Beim alles beherrschenden Thema dieser Tage dürfte also auch ein etwaiger Regierungswechsel wenig Veränderungen herbeiführen, außer vielleicht, dass der Posten des Finanzministers von einem nicht ganz so harten Hund besetzt wird. Der amtierende Minister Schäuble jedenfalls hat in den letzten Monaten hart daran gearbeitet, sein Image als eiserner Kassenwart Deutschlands zu hegen und zu pflegen. Ob dies einem Trittin (Grüne) auch gelingt, ist ungewiss, auch weil die vermeintlich linken Parteien wesentlich besser im Geld ausgeben sind.

Die Planspiele in der Bundespolitik kommen zur Unzeit. Vor wenigen Tagen öffneten die weltgrößten Zentralbanken ihre Geldschleusen und beglückten die Großbanken mit unbegrenzter(!) Dollar-Liquidität. Damit dürfte der Zusammenbruch der großen europäischen Geldhäuser, allen voran der französischen, fürs Erste vom Tisch sein. Die Maschine zum Geldverdienen wurde wieder angeworfen, selbstredend auf Kosten der Bürger und Steuerzahler, die einerseits mit einer höheren Inflation konfrontiert werden und andererseits mit dem Umstand, dass das Geld, welches nun den Großbanken hinterhergeworfen wird, an anderer Stelle fehlt. Aber gut, Großbanken sind nunmal systemrelevant, während Bildung, Sozialversicherungen, Infrastruktur und andere Annehmlichkeiten des Westens hinten angestellt werden. Die Zentralbanken, die ihre Unabhängigkeit gegenüber der Politik immer mehr verlieren, wenn sie sie jemals gehabt haben sollten, vergessen dabei aber die Völker. Diese werden sich irgendwann die Frage stellen, ob sie ein derartiges System überhaupt wollen, in dem Geldhäuser gerettet werden, während immer breitere Bevölkerungsschichten verarmen.

Somit könnte sich der absehbare rot-grüne Wahlerfolg als Pyrrhussieg entpuppen. Es erscheint allerdings auch möglich, dass Griechenland als eine Art Bauernopfer die EU und die Euro-Zone verlässt. Das ewige Gequake, ein Austritt sei rechtlich nicht möglich, ist an Dummdreistigkeit kaum mehr zu überbieten. Selbstverständlich kann ein Land aus der EU und somit aus dem Euro austreten, Artikel 50 des EU-Vertrages regelt den freiwilligen Austritt aus der Union. Ein Rauswurf ist hingegen nicht möglich. Nun sind aber die Daumenschrauben, die Griechenland angelegt wurden, für hellenische Verhältnisse bereits bis zum Bersten gespannt. Die griechische Regierung sieht sich einem Volk gegenüber, welches die Sparmaßnahmen auf zunehmende Weise nicht mehr zu Tragen bereit ist. Da Griechenland auch medial im Fadenkreuz ist, könnte der Plan lauten, dass die Hellenen austreten und Merkel sich dafür anschließend feiern lassen könnte, weil die sparfaulen Griechen ja daran Schuld sind, dass die EU kleiner geworden ist.
Auch damit wäre aber lediglich Zeit gewonnen, da über weit mehr Länder der Pleitegeier kreist. Portugal, Irland, Spanien und Italien stehen schon in der Schlange, um von den Finanzmärkten "getestet" zu werden. Bei diesem Test dürfte beispielsweise die spanische Schuldenbremse, die ja in neun(!) Jahren eingeführt werden soll, nichts helfen.

Die Ablösung Merkels erscheint jedenfalls - um sich mal eines der Lieblingswörter unserer Kanzlerin zu bedienen - alternativlos. Ein Regierungswechsel allein macht aber noch keinen Politikwechsel. Ob nun mit oder ohne Merkel, der europäische Eiertanz wird mit ihrer Ablösung nicht aufhören...

Mittwoch, 14. September 2011

Rettungsmüde

Die Liberalen, die ja noch den kleineren Teil unserer amtierenden Regierung stellen, scheinen der Griechen überdrüssig zu sein. Der Vorstoß von Wirtschaftsminister Rösler, der eine geordnete Insolvenz der Hellenen ins Gespräch gebracht hatte, sorgte im Kanzlerbunker Merkels für helle Aufregung. In der gewohnten Manier rief die Kanzlerin den FDP-Chef zur Ordnung und verpasste ihm einen ihrer gefürchteten Maulkörbe.

Dieser hielt den netten Herrn Rösler allerdings nicht davon ab, zu seiner Aussage zu stehen und diese zu erneuern. Nun sollte man ja nicht immer zu viel hineininterpretieren, wenn es in einer Regierung mal Knatsch gibt. Angesichts der derzeitigen europäischen und weltpolitischen Lage und dem Umstand, dass Rösler die Richtlinie von Merkel, er möge seine Worte weiser abwägen, schlichtweg ignoriert hat, kann hier festgehalten werden, dass die Regierung Merkel an der Euro-Rettung zu zerbrechen droht.

Merkel, die auch hier auf WiSoPol zu Recht für ihre (Nicht-)Politik kritisiert wurde und wird, ist dieser Tage nicht zu beneiden. Wohin auch immer sie ihren Blick richtet, überall schlagen ihr Flammen entgegen. Ob nun die wackelige Merkel-Mehrheit bei der Ende September anstehenden Erweiterung der EFSF, bei dem sich abzeichnenden Nein der FDP-Basis hinsichtlich des permanenten Rettungsschirms ESM, der konjunkturellen Abkühlung in Deutschland und der Welt, schlechten Umfragewerten und Wahlniederlagen, der Uneinigkeit innerhalb Europas oder der eigenen Partei, in der immer mehr Leute die Faust in der Tasche ballen. Natürlich sind diese Probleme hausgemacht. Der zögernde Führungsstil Merkels, ihre Nicht-Einmischung in tagesaktuelle Diskussionen, wirkte für den unbedarften Rezipienten wie die Stärke einer Frau, die eine Politik der ruhigen Hand verfolgt. Es offenbarte sich bekanntermaßen, dass sich hinter der vermeintlichen Stärke eine Planlosigkeit der uns Regierenden verbarg. Hinter der liberalen Rettungsmüdigkeit könnte demnach auch die schlichte Erkenntnis stecken, dass die Führungsriege der CDU nicht führen kann, weder in Deutschland noch in Europa.

Über Monate wurden die Augen vor der Realität verschlossen, es musste alles und jeder gerettet werden, astronomische Kosten Hin oder Her. Die verfassungsrechtlichen Probleme wurden von den Richtern aus Karlsruhe, deren Berufung an das Verfassungsgericht im politischen Hinterzimmer ausgeküngelt wird, beiseite geschoben. Die Modeerscheinung der bundesdeutschen Politik, schwierige Sachlagen im Endeffekt in Karlsruhe entscheiden zu lassen, scheint ihren Zenit nun überschritten sich zu haben. Wenn mittlerweile selbst Kabinettsmitglieder die TINA*-Rettung Griechenlands in Frage stellen, zeigt dies doch, dass sich die Pfadfindertruppe Röslers ihrer Verantwortung für Deutschland und Europa bewusst geworden ist.

Es ist ein mutiger Schritt des FDP-Chefs, im derzeitigen Umfeld eine Absatzbewegung von der CDU zu vollziehen. Angesichts der katastrophalen Umfrage-Werte und Wahl-Ergebnisse der Liberalen müssten diese im Falle von Neuwahlen nicht etwa um ihre Regierungsbeteiligung bangen, sondern um den Einzug in das Parlament. Der Vorwurf, Politiker denken nur an ihre Posten, greift in diesem Falle nicht, eben deshalb ist der Schritt Röslers mutig. Darüber hinaus scheint Rösler die Zeichen der Zeit nun zu erkennen. Nicht nur die Liberalen sind rettungsmüde, die gesamte Repubik ist es. Selbst namentlich an dieser Stelle nicht zu nennende Lohnschreiber aus Hamburg knicken ein und verzichten auf ihre Pro-Euro-Propaganda. Die Kritik am Euro hat längst die Schmuddelecke der Verschwörungstheorien verlassen, sie ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Dass die rotgrünschwarze Blockpartei weiterhin das Europa-Lied anstimmt, zeigt nicht viel mehr, als dass sie nicht die Mitte der Gesellschaft repräsentiert, auch wenn sie sich dies immer wieder auf ihre Fahnen schreibt.

Seit sich die EZB dazu entschieden hat, ihr Ziel der Preisstabilität aufzugeben und stattdessen politisch motivierte Rettungsmanöver abhält, ist der deutsche Michel, so er nicht immer noch im Schlafland vor sich hinträumt, mit einer Zentralbank konfrontiert, die es den Völkern zumuten möchte, künftig für das exemplarische Stück Butter mehr zu bezahlen, nur damit Privatbanken auch weiterhin leistungslos ihre Vermögen mehren können.

Die Riege der Ökonomen, die die Lebenszeit des Euro mit wenigen Tagen, im besten Fall einigen Monaten, angeben, erfreut sich einem wachsendem Zustrom. Es ist mittlerweile aber auch nicht mehr der absolute Geheimtipp, dass der Schwelbrand im Gebälk der EU den gesamten Dachstuhl erfassen könnte und das europäische Haus bis auf sein Fundament, den Nationalstaaten, zu zerstören droht. Vor ein paar Monaten, als hier und auf anderen Seiten genau darüber geschrieben wurde, war dies noch anders.

Die Herabstufung der französischen Großbanken Societe Generale und Credit Agricole passt ins Bild der rettungsmüden Kerneuropäer. Übrigens dauerte es im Jahr 2008, als die US-Großbank Lehman Brothers ebenfalls herabgestuft wurde und schließlich unterging, ganze drei Tage, bis diese ihren Bankrott anmelden musste und einen Tsunami auf den Finanzmärkten auslöste. Bei den französischen Banken könnte es nun fünf Tage dauern. Nicht etwa weil die Bankhäuser besser aufgestellt sein würden, sondern weil ein Wochenende dazwischen kommt...

* TINA = There Is No Alternative

Dienstag, 13. September 2011

Samstag, 10. September 2011

Der Zusammenbruch der Euro-Zone...

... nimmt immer konkretere Formen an. Nachdem der EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark zurückgetreten ist, wird ein Euro-Austritt Griechenlands nun auch von den obersten Euro-Rettern erwogen. Währenddessen setzt die große Kapitalflucht aus europäischen Bankhäusern ein.

Der Rücktritt vom EZB-Chefvolkswirten Stark wurde dem Vernehmen nach bereits seit längerer Zeit erwogen. Hintergrund des Rücktritts sind weniger die "persönlichen Gründe", die kurz nach Bekanntwerden des Rückzugs kolportiert wurden, als viel mehr die Kritik an der momentanen Praxis der EZB, Staatsanleihen von krisengeschüttelten Ländern aufzukaufen. Bereits im Frühjahr war Axel Weber zurückgetreten, eben weil die EZB damals damit begonnen hatte, griechische Staatsanleihen aufzukaufen. Bereits damals soll Stark nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mit Rücktritts-Gedanken gespielt haben. Nachdem nun auch Staatsanleihen von Spanien und Italien aufgekauft wurden, wurde es Stark offenbar zu bunt. Die einstige EZB, die die Preisstabilität als einziges Ziel verfolgte, verliert mit dem Rückzug Starks einen weiteren ihrer Architekten. Der Süden Europas hat nun die Oberhand in der EZB und der Süden profitiert von der momentanen Praxis der Staatsanleihen-Aufkäufe, während der Norden Europas diese Aufkäufe bezahlen darf.

So ist es denn auch nicht verwunderlich, wenn unser allseits geschätzter "Spiegel" von Plänen im Bundesfinanzministerium berichtet, die eine Insolvenz Griechenlands durchspielen. Vor wenigen Wochen galten derartige Planspiele noch als Tabu, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Wäre die EU konsequent gewesen und hätte sie den Hellenen einen Austritt aus der Währungsunion von Beginn an schmackhaft gemacht, statt sinnlos Milliarden nach Athen zu überweisen, so hätte der nun wahrscheinliche Zusammenbruch verhindert werden können.

Stattdessen dürfen sich nun US-Bankhäuser freuen, wenn auch nur für kurze Zeit. Insgesamt 1,2 Billionen US-Dollar wurden seit dem 30. Juni 2011 aus Europa abgezogen und in das US-Bankensystem gepumpt. Die Liquiditätslücke, die die neue IWF-Chefin Lagarde neulich mit 200 Milliarden Euro angab und dafür viel Kritik erntete, dürfte angesichts der obigen Summe also eher die Spitze des Eisbergs sein.

Unterdessen fordert Merkel Geduld mit Griechenland. Geduld ist ja zunächst mal eine schöne Tugend, angesichts der Auslassungen des griechischen Finanzministers, nach denen das griechische BIP im laufenden Jahr nicht "nur" um 3,8 Prozent sinken wird, sondern um mehr als fünf Prozent, wirkt die Aussage unserer Kanzlerin allerdings ähnlich grotesk, wie das neue Konjunkturpaket von US-Präsident Obama. Der will ja 450 Milliarden US-Dollar im notorisch klammen US-Staatshaushalt gefunden haben und erwartet allen Ernstes, dass ihm die Weltöffentlichkeit einen derartigen Schwachsinn abkauft.

Den Wettlauf der Währungen scheint nach jetzigem Erkenntnisstand der Euro zu "gewinnen". Auch den Schweizer Franken dürfte es zerreißen, nachdem die SNB ja neuerdings auf eine Kopplung mit dem Euro setzt und so jeden Tag Milliarden in die Märkte pumpen muss.

Wie lange sich der Zusammenbruch noch verhindern lässt, ist ungewiss, eine Glaskugel besitzt WiSoPol.de schließlich nicht. Aber die Zeichen verdichten sich zusehends, dass der Bundestag gar nicht mehr über etwaige Erweiterungen und Aufstockungen der EFSF abstimmen muss. So entgeht Merkel einer möglichen Abstimmungsschlappe. Also hätte der Zusammenbruch der Euro-Zone ja fast doch noch etwas Gutes...

Quellen: 1 2 3

Mittwoch, 7. September 2011

WiSoPol: Externer Artikel

Die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank, den Franken künftig an den Euro zu koppeln, wird hier bestaunt.

Die gar nicht eidgenössische SNB

Samstag, 3. September 2011

Nachtigall, ick hör dir trapsen!

Ein Indikator der Federal Reserve von St. Louis kündigt eine noch schlimmere Krise als im Jahr 2008 an, als die Großbank Lehman Brothers bankrott ging. Die "Reserven" der Banken in US-Dollar haben sich seit Jahresbeginn verdoppelt, insbesondere im Juli ging es nach oben, nachdem sich die Euro-Krise auch auf die "too big to bail"-Länder Spanien und Italien ausbreitete. Kollabiert der Interbankenmarkt?



Die obige Grafik zeigt, dass amtliche Stellen und Zentralbanken auf massive Art und Weise ihre Reserven bei der Zentralbank der USA, der Federal Reserve, parken und sicher verwahren wollen. Dies geschieht immer dann, wenn das Vertrauen in die Stabilität der Privatbanken abnimmt und wenn diese Privatbanken sich untereinander weniger vertrauen. Was ist die Folge dieses schwindenen Vertrauens?
Nun, es dürfte - in Analogie zum Jahr 2008 - zu einem Zusammenbruch des Interbankenmarkts kommen. Dieser Zusammenbruch kündigt sich bereits seit längerem an und scheint nun mehr und mehr zur Realität zu werden. Wenn der Interbankenmarkt zusammenbricht, leihen sich die Banken untereinander kein Geld mehr, eben weil sie nicht wissen, wie es um diejenige Bank, der sie Geld verleihen, bestellt ist und ob sie ihren Kredit wiederbekommen. Nun ist aber gerade jener Interbankenmarkt für die Funktionsfähigkeit unseres Weltfinanzsystems essentiell, um nicht das böse Wort der Systemrelevanz zu gebrauchen.

Sollte der Interbankenmarkt tatsächlich austrocknen, dann dürfte dies dazu beitragen, dass wir künftig ein paar Großbanken weniger auf diesem Planeten haben. Nun ist dies ja zunächst einmal zu begrüßen, dennoch wären aufgrund der undurchschaubaren Verflechtungen zwischen den Banken sehr viele Geldhäuser vom Bankrott einer Großbank betroffen. Anders als 2008 scheint das Epizentrum dieses Mal in Europa zu liegen und nicht in den USA. Das sinkende Vertrauen in die europäischen Banken erhöht die Reserven der Federal Reserve. Erstaunlich daran ist, dass es in den Köpfen so mancher Banker anscheinend nur die Wahl zwischen Euro und US-Dollar gibt. Was aber, wenn beide Währungen im Begriff sind zu kollabieren, so wie sich dies momentan ankündigt? Es wird gerade so getan, als wäre die Wahl zwischen Pest und Cholera tatsächlich eine, jedoch ist das Ergebnis beider Dinge in etwa gleich...

Wenn man mal eine Bilanz der letzten Monate ziehen würde, so käme man darauf, dass der US-Dollar oder die US-Zentralbank mitnichten auch nur einen Yokto vertrauenswürdiger sind als die EZB oder der Euro. Die Unterschiede bestehen lediglich darin, dass der US-Dollar wegen der jahrzehntelangen Schuldenpolitik der USA im Arsch ist, während der Euro Zeit seiner Einführung nie aus selbigem herauskam. Das Pendeln zwischen Euro und US-Dollar verlängert lediglich das Siechtum des Finanzsystems, eine Genesung kommt so nicht in Gang.

Zurück zu den europäischen Banken. Die berüchtigten Kreditausfallversicherungen oder Credit default swaps (CDS) für europäische Banken sind bereits sehr hoch und deuten somit ebenfalls an, dass etwas mächtig faul ist. Die Gerüchte um die französische Großbank Societe General ließen deren Kurs neulich schon kräftig purzeln, wobei dies in dem damaligen Marktumfeld auch durchaus zu erwarten war. Die große Frage wird sein, welche Bank die EU nicht retten kann oder will, bei welcher Bank ein ähnliches Exempel statutiert werden soll wie damals bei Lehman. Nach endlos scheinenden Überweisungen nach Athen, Dublin und Lissabon sieht es fast so aus, als müsse nun mal eine Bank über die Klinge springen, wenn man sich schon nicht traut, Griechenland in die geordnete Insolvenz zu schicken und den Hellenen ihre Drachme wiederzugeben. Aber auch das könnte ja noch kommen, nachdem die Troika am Freitag wutentbrannt aus Athen abgereist ist. Die griechische Regierung hatte den Vertretern von IWF, EZB und EU nämlich mitgeteilt, dass sie keine weiteren Sparanstrengungen unternehmen wollen. Bevor hier jetzt wieder die Mistgabel herausgeholt und auf die faulen Griechen geschimpft wird, sollte man sich die Einsparungen, die Griechenland in den letzten Monaten durchgeführt hat, vor Augen führen. Wenn man dies tut, verflüchtigt sich auch der Zorn, der uns von Bild und Co. eingeimpft wird.

Alles im Eimer? Noch lange nicht. Wie oft der Untergang des US-Dollar oder des Euro in den vergangenen Monaten schon ausgerufen wurde, weiß ich nicht mehr. Beide Währungen gibt es noch immer, was uns zeigt, dass sie wesentlich widerstandsfähiger sind, als sich so manche Leute (u.a. meine Wenigkeit...) vorstellen konnten. Die Problematik besteht darin, dass beide Währungen kurz- und mittelfristig keine erneute Krise verdauen könnten. Der allerletzte Kreditgeber, die Staaten, haben bereits 2008ff. alles reingeworfen, was sie haben, sind sozusagen all-in gegangen. Einen neuerlichen Schock, wie er sich gerade ankündigt, könnte niemand mehr auffangen. Sicher, die Chinesen stützen beide Währungen und verlagern ihr Engagement zusehends in den alten Kontinent. Wer den Chinesen allerdings Dummheit unterstellt oder damit rechnet, sie würden tote Pferde reiten, der irrt sich. Abgesehen davon ist es um China nun auch nicht unbedingt rosig bestellt, zumindest wenn man die Inflation insbesondere der Nahrungsmittel betrachtet und andere Kleinigkeiten, wie den chinesischen Immobilienmarkt.
Aber besser ist es seit 2008 jedenfalls nicht geworden, von der kurzen konjunkturellen Erholung einmal abgesehen, die ohnehin nur deswegen zu Stande kam, weil rund um den Globus Billionen in die Hand genommen wurden...

Donnerstag, 1. September 2011

Der Monat der Entscheidungen

Allerhand politisch gehaltvolles bietet der vor uns liegende September. Neben der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht bezüglich des Euro-Rettungsschirms und der Abstimmung im Bundestag zur Ausweitung der EFSF gibt es auch noch zwei Landtagswahlen. Für die Regierungskoalition und Merkel an ihrer Speerspitze könnte der September ein Monat der Entscheidungen werden, möglicherweise wird auch über die politische Zukunft der Ära Merkel entschieden. Eine Einstimmung.

Die letzten Tage waren von einer gespannten Ruhe geprägt. Der durch Veränderung der Spielregeln hervorgerufene zwischenzeitliche Absturz des Goldpreises um gut 200 US-Dollar binnen weniger Tage war kein geeignetes Thema, um die Gazetten zu füllen. Immerhin hat der Goldpreis nach der vorsichtigen Ankündigung von Helikopter-Ben Bernanke, Oberster Gelddrucker und Golddrücker der USA, eventuell vielleicht doch noch mal die Druckerpresse anzuwerfen, seine Verluste bereits wieder halbiert, momentan läuft der Preis seitwärts bei 1820-1830 US-Dollar. Die nun folgenden Wochen und Monate werden zeigen, ab wann sich das gelbe Metall wieder an die 1900er-Marke heranwagt und sie nachhaltig knacken kann.

Statt über unser heiß geliebtes Weltfinanzsystem zu schreiben, verlegten sich die großen Verlagshäuser lieber darauf, eine neue Runde des Spiels Westerwelle-Bashing einzuläuten. Fast hätte man das Gefühl bekommen können, dass sich die schreibende Zunft nichts sehnlicher wünschte als Westerwelle zu einem Rücktritt zu überreden, als ob damit auch nur ein fundamentales Problem der Bundespolitik gelöst worden wäre. Auf WiSoPol.de wurde die Causa Westerwelle bereits behandelt, u.a. hier.

Anstatt sich mit Personaldebatten aufzuhalten, müssten die etablierten Parteien viel eher die Wahltrommel rühren, angesichts der bevorstehenden Wahlen in Meck-Pomm und Berlin. In Mecklenburg-Vorpommern muss die FDP um den Einzug ins Landesparlament bangen, lediglich 4,5 Prozent würden die Liberalen einer Umfrage zufolge wählen. Die Grünen kommen in Meck-Pomm laut den Umfragen nicht über acht Prozent hinaus, würden somit allerdings erstmals in den Schweriner Landtag einziehen, während SPD und Linkspartei die Dienstwagen und -posten unter sich verteilen dürften. Zwar sei die Große Koalition "sehr harmonisch" gewesen, wie der derzeitige Ministerpräsident Sellering (SPD) betonte, dennoch wollte er ein rot-rotes Bündnis nicht ausschließen. Ein Wechsel des Koalitionspartners hätte für die SPD auch bundespolitisch eine Signalwirkung, dieser Tage macht es sich einfach gut, wenn die Sozialdemokraten von der CDU abrücken. Dass die Christdemokraten erneut in der Wählergunst verlieren, ist angesichts einer Kanzlerin Merkel nicht nur nicht verwunderlich, sondern auch begrüßenswert. Überdies hat es ja fast schon Tradition, dass die CDU mit Merkel an ihrer Spitze Landtagswahl um Landtagswahl (prozentual) verliert.

In Berlin stehen die Zeichen auch auf Wechsel, auch wenn Wowereit seinen Amtssitz im Roten Rathaus behalten dürfte. Die Linkspartei liegt bei knapp 11 Prozent, eigentlich zu wenig, um das rot-rote Bündnis aufrecht zu erhalten. Die Grünen punkten im urbanen Milieu Berlins, verpassen es aber aller Voraussicht nach, Künast als Bürgermeisterin zu installieren. Auch in Berlin wäre eine Große Koalition möglich, sie ist aber weitaus unwahrscheinlicher als in Meck-Pomm.

Bereits nächste Woche steht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an. Es geht bei diesem Urteil um die Frage, wie sehr sich der Bundestag künftig in Euro-Rettungsaktionen einmischen darf. Bislang muss sich die Regierung bei einer Inanspruchnahme der EFSF durch Euroländer nicht etwa dem gesamten Plenum stellen, es reicht schon "Einvernehmen" mit dem Haushaltsausschuss zu erzielen. Angesichts der Ausweitung auf nunmehr 211 Milliarden €, die Deutschland beiträgt, fordern die Abgeordneten, dass künftige Entscheidungen vom Plenum abgesegnet werden. Je nach dem, wie die Verfassungshüter entscheiden, wird die Regierung Merkel einen Vorschlag zur Abstimmung bringen, der sich am Urteil aus Karlsruhe orientieren dürfte.
Der Bundestag ist die einzige Institution auf Bundesebene, die direkt vom Volk legitimiert wird. Die parlamentarische Königsdisziplin, die in Artikel 115 Abs. 1 Grundgesetz eigentlich relativ klar geregelt ist, das Budgetrecht steht zur Disposition. Wenn sich ein Wolfgang Schäuble in einem Interview darüber auslässt, dass die EFSF doch handlungsfähig bleiben müsse und eine parlamentarische Mitsprache nur bedingt notwendig sei, dann muss auch die Frage erlaubt sein, welchem Herren er eigentlich noch dient. Naiv wie man so ist, könnte man ja annehmen, es ginge darum, der deutschen Bevölkerung zu dienen, immerhin hat diese seiner Partei zur Regierungsmehrheit verholfen. Es scheint aber fast so, als würde sich ein Herr Schäuble eher um die Befindlichkeiten der Europäischen Kommission, der EZB und der Euro-Gruppe sorgen. Alles demokratisch nicht-legitimierte Institutionen, wobei dies bei der EZB ja sogar zu begrüßen ist, immerhin sind unter politischer Kontrolle stehende Zentralbanken historisch betrachtet stets gescheitert. Überspitzt gesagt geht es beim Urteil des Bundesverfassungsgerichts darum, ob die BRD auch zukünftig eine parlamentarische Demokratie sein soll oder ein Gliedstaat der Europäischen Union.

Wenn dann das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, kommt es zur spannenden Abstimmung im Bundestag. Hier wollen die Regierenden - möglicherweise letztmalig - den Bundestag dazu bewegen, der Anhebung des EFSF zuzustimmen. Bereits im Vorfeld rumort es kräftig. Merkels schwarz-gelbe Truppe verfügt über eine eigentlich komfortable Mehrheit von 19 Stimmen. CDU-Innenpolitiker Bosbach schätzt die Zahl der Kritiker "auf vielleicht ein paar Dutzend". Wie viele von denen tatsächlich den Mut aufbringen, gegen Merkel und für ihre eigenen Überzeugungen zu stimmen, wird spannend zu sehen sein. Dennoch kommt die EFSF-Aufstockung durch den Bundestag, da die angeblich linken Parteien SPD und Grüne bereits signalisiert haben, der Ausweitung zuzustimmen. Dennoch wäre es für Merkel ein Debakel, sollte sie keine eigene Mehrheit zustande bringen. Eine Vertrauensfrage wäre auf kurz oder lang die logische Konsequenz.