Mittwoch, 14. Dezember 2011

WiSoPol @ik-News

Christian Lindner hat der Öffentlichkeit heute mitgeteilt, dass er für das Amt des FDP-Generalsekretärs nicht länger zur Verfügung steht. Überraschend kann diese neuerliche Krise für die FDP nicht sein, immerhin befindet sie sich seit Monaten in den Niederungen der Zustimmungswerte. Die Krise der Partei ist längst zur Normalität verkommen.

Samstag, 10. Dezember 2011

WiSoPol: Externer Artikel

Angela Merkel (CDU) ist auf dem neuerlichen EU-Gipfel hart geblieben und – anders als zu erwarten war – nicht umgefallen. Die Briten haben sich wie angekündigt innereuropäisch isoliert, der komplette EU-Ausstieg der Briten scheint nur mehr eine Frage der Zeit zu sein. Unabhängig davon ist der von Merkel und Sarkozy eingeschlagene Weg nicht zur Beendigung der Krise geeignet.

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Freitag, 9. Dezember 2011

Über moralinsauren Feminismus

Da schlägt man nichtsahnend den Feuilleton der altehrwürdigen Frankfurter Allgemeinen auf und entdeckt in einem feministischen Kampftext längst überwunden geglaubte Argumente für ein Revival des Feminismus ála Alice Schwarzer. Eine Klarstellung.

Selbstbemitleidung hat eine große Tradition im weiblichen Feminismus. Im Unterschied zu früher hat diese dieser Tage jedoch kaum mehr eine Daseinsberechtigung. Umso verwunderter war ich, als ich heute in der F.A.Z. den Beitrag "Meine freie Wahl" gelesen habe. Der Grundtenor des Textes kann wohl am ehesten mit dem Satz zusammengefasst werden, dass die Autorin sauer auf ihre GenossInnen ist. Sauer, weil ihre Vorstellung von Feminismus offenbar nicht deckungsgleich ist mit denen der weiblichen Majorität. So findet sich im Beitrag folgender Satz: "Fragt man junge Frauen, was sie unter einer Feministin verstehen, fallen Wörter wie alt, verbittert, hässlich, frigide und uncool."

Dass diese Ansicht nicht nur bei jungen Frauen, sondern ebenso bei jungen und alten Männern weitgehenden Zuspruch findet, ist fast schon eine unnötige Erwähnung. Das Bild der miespetrigen Feministin mittleren oder fortgeschrittenen Alters ist oft bemüht worden, um die Tatsache zu verdeutlichen, dass der Feminismus der alten Schule, der den Kampf zwischen den Geschlechtern forderte, damit die Frauen das erhalten, was ihnen zweifelsfrei zusteht, überholt ist. Männlein wie Weiblein ist längst bewusst, dass der Geschlechterkampf schlechterdings nicht dazu in der Lage ist, die heute existierenden Probleme lösen zu können. Während früher der besitzstandswahrende Mann, der um seine Pfründe und den Gehorsam seiner Frau fürchtete, Ziel der Attacken war, ändert sich nun dieses Bild. Nicht die FeministInnen zeigen mit ihren Fingern auf unterdrückte Frauen und auf Testosteron geschwängerte Männer, sondern die Gesellschaft zeigt mit ihrem Finger auf die ewiggestrigen Frauen, die in ihrem Kampfeswahn völlig vergessen zu haben scheinen, dass der Kampf längst beendet ist.

Natürlich darf auch in diesem FAZ-Text der Verweis auf die überbordende Ungerechtigkeit, die den Frauen von heute entgegenschlägt, nicht fehlen. Frauen verdienen weniger als Männer, im Schnitt sind es groteske 23 Prozent. Statt sich aber mit der Frage zu beschäftigen, warum dies so ist, ob es also daran liegt, dass die Männer den Frauen es nicht gönnen würden, gleich viel zu verdienen oder ob es vielleicht an unserem derzeitigen Wirtschaftssystem liegen könnte, welches alle Menschen gleichermaßen diskriminiert und ausbeutet, findet sich nicht in diesem Text.

Stattdessen wird auf das Herzensthema der modernen FeministInnen rekurriert: die Frauenquote in Vorstandsetagen.

"Nehmen wir die aufgeregte Diskussion über die Frauenquote, die den eigentlichen Skandal völlig ausblendete: nämlich dass Frauen in Führungspositionen nicht längst Normalität sind. Die Frage heißt nicht: Frauenquote ja oder nein. Sie heißt: Warum müssen wir überhaupt darüber diskutieren?"

Ja, warum nur müssen wir ausgerechnet über eine Sache reden, die ohnehin nur einen verschwindend geringen Teil der Frauen und Männer betrifft? Warum reden wir nicht über die gleiche Bezahlung von Mann und Frau, wenn wir über modernen Feminismus reden oder über das arg strapazierte Wort Gleichberechtigung? Letzteres wird gemeinhin immer mit gleichen Rechten gleichgesetzt, was selbstredend falsch ist. Die Berechtigung zu etwas meint nicht, dass es für beide Geschlechter auch tatsächlich gleich einfach ist, ihre Wünsche zu erreichen. So muss der Erzieher in einer Kindertagesstätte die ängstlichen Blicke der konservativen Mütter über sich ergehen lassen, die einen Pädophilen zu erkennen glauben, während sich die Geschäftsfrau anderen Vorurteilen ausgesetzt sieht, die nicht zwingend von Männern hervorgebracht werden müssen, sondern ebenso von pikierten Frauen.

Die gleiche Bezahlung von Mann und Frau jedenfalls kommt in der Debatte über das Zusammenleben von Mann und Frau und in dem FAZ-Text zu kurz, heißt fast gar nicht vor. Stattdessen sind - wie so oft - die gemeinen Männer Schuld daran, dass die "Frauen in der mittleren Managementebene scheitern". Es liegt nicht an der jeweiligen Eignung der jeweiligen Frau, so wie es bei Männern der Fall wäre. Es liegt auch nicht daran, dass einige Frauen vielleicht gar keine Karriere machen wollen, obschon sie könnten, so wie dies auch bei Männern der Fall ist. Nein, es liegt - wie so oft - daran, dass die Männer es den Frauen nicht gönnen, erfolgreich zu sein. Während die Autorin die neue Bequemlichkeit der Frauen moniert, denen der Feminismus am Allerwertesten vorbeigeht, ist sie diejenige, die die traditionelle feministische Bequemlichkeit lebt und den Männern sämtliche Ungerechtigkeiten in die Schuhe schiebt, statt sich den Mund abzuwischen und weiterzumachen, auf das sie die Erfüllung im oberen Management finden möge. Dass dort allerdings keine Rücksicht auf private Befindlichkeiten genommen wird, dass der Beruf dort an allererster Stelle kommt und die Familie hintenansteht, könnte damit zu tun haben, dass es nur für wenige Frauen und Männer erstrebenswert ist, genau dieses Ziel zu verfolgen.

Wir benötigen keinen Feminismus, um die geschlechtsspezifischen Ungerechtigkeiten zu überwinden. Wir benötigen dazu auch keine Frauenquote, die die Diskriminierung der Frau lediglich auf ein neues Level hievt. Was wir benötigen ist eine Zugrabetragung dieses moralinsauren Feminismus, der jede Möglichkeit auf ein Nebeneinander der Geschlechter als Unterjochung der Frau brandmarkt und sich stattdessen anschickt, Frauen über die Männer zu stellen und sich dann allen Ernstes darüber wundert, dass junge emanzipierte Frauen und Männer nur müde darüber lächeln können, ob des Umstands, dass ein Austausch der Vorzeichen keine Emanzipation ermöglichen kann.

Donnerstag, 8. Dezember 2011

WiSoPol: Externer Artikel

Kurz vor dem möglicherweise finalen Showdown in Brüssel zeichnet sich bereits im Vorfeld ab, dass der britische Premierminister David Cameron als Spaltpilz fungieren könnte. Während das Tandem Merkozy Einigkeit nur mehr vorspielen denn vorleben kann, droht auch dieser EU-Gipfel keinen Durchbruch zu zeitigen.

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Samstag, 5. November 2011

Die Entdemokratisierung Europas und der Welt

Was sich vor unseren Augen abspielt, ist eigentlich nur noch mit Galgenhumor zu ertragen. Da kommt ein amtierender Ministerpräsident eines ehemals souveränen Staates auf die Idee, die urdemokratischste Form der Entscheidungsfindung, die Volksbefragung, durchführen zu wollen, um sicher zu sein, dass das gewählte Joch auch vom Volk mehrheitlich akzeptiert wird und was passiert? Er wird von Merkozy und Co. zurückgepfiffen.

Was sich hinter den Kulissen des zurückliegenden G20-Gipfels abgespielt hat, muss extrem interessant gewesen sein. Nur zur Übersicht hier noch einmal die Ereignisse der letzten Tage: In der vergangenen Woche ringen sich die europäischen Staatenlenker nach stundenlangen Verhandlungen und sichtlich ermüdet doch noch zu einem Stützungspaket für Griechenland durch. Auch auf den anderen Kontinenten unseres geliebten Planeten dürften sich die Staats- und Regierungschefs nach Verkündung der Beschlüsse eine neue Unterhose gegönnt haben. Wenn schon nicht nach Kot, so roch der Kompromis doch nach faulen Eiern, die der EU-Hühnerstall gelegt zu haben schien. Allein der postulierte freiwillige Verzicht in Höhe von 50 Prozent der Forderungen seitens der Banken dürfte dem interessierten Beobachter des politischen Kabaretts, welches uns momentan dargeboten wird, die Lachtränen in die Augen getrieben haben. Banken verzichten freiwillig auf etwas? Nun, es handelt sich hier wohl um eine alternativlose Freiwilligkeit, wodurch das freiwillige Moment an den Rand gedrängt wird. Natürlich sprangen die ach so objektiven Ratingagenturen - hilfsbereit wie sie eben so sind - dem deutsch-französischen Tandem zur Seite und akzeptierten, dass sich die Großbanken freiwillig einen neuen Haarschnitt (engl. haircut) zulegten.

Papandreou seinerseits wagte etwas, was sich in unseren Scheindemokratien wohl nur wenige Politiker zu wagen getrauten: Er wollte doch tatsächlich das Volk befragen. Das Gackern im EU-Hühnerstall ob dieser demokratischen Unmöglichkeit hörte man selbst in Washington, Obama stimmte sogar noch ein in die Kakophonie der Ungläubigkeit und des blanken Entsetzens. Aber keine Panik: Papandreou wurden ja bereits die Daumenschrauben angelegt. Die Volksabstimmung über die "Hilfs- und Rettungs"-Pakete würden zu lange dauern, bis dahin sei sein Land pleite. Papandreou, ganz Verwalter eines europäischen Protektorats, knickte schließlich am Donnerstag ein. Statt einer Volksabstimmung solle eine "Regierung der nationalen Einheit" Griechenland aus dem Schlamassel ziehen. Moment, diesen Begriff hatten wir doch schon jüngst bei den arabischen Revolutionen gehört. Eine Regierung der nationalen Einheit wird gerne dann geschmiedet, wenn sich die Polit-Granden ganz bewusst dazu entschließen, Politik gegen das eigene Volk zu machen. So geschehen zum Beispiel in Deutschland, bei der Verabschiedung der Agenda 2010. Auch dort benötigte die SPD die Stimmen der CDU im Bundesrat und da beide Parteien so asozial wie sonst nur die Grünen sind, einigte man sich schnell auf den Ausverkauf des bundesdeutschen Sozialstaats.

Zurück zu Griechenland: Papandreou hat am späten Freitagabend die Vertrauensabstimmung im griechischen Parlament gewonnen. Er wird am heutigen Samstag zusammen mit dem griechischen Staatspräsidenten die Lage im Land erörtern und versuchen, möglichst viele im Parlament vertretene Parteien hinter die Linie seiner Pasok-Partei zu vereinen. Papandreou dürfte im Gegenzug dafür, dass seine Partei weiter im Polittheater mitmischen darf, zumindest vom Posten des Ministerpräsidenten zurücktreten, ein Versorgungsposten fällt für ihn natürlich dennoch ab. Die Beschlüsse des letzten EU-Gipfels werden ohne viel Murren umgesetzt, Griechenland wird einen Teil seiner Schulden los und der Euro ist gerettet. Soweit das Wunschdenken der Politik.

Die Realität sieht - wie so oft - anders aus, als es sich die Politiker auf ihren belangslosen "Gipfeltreffen" ausmalen. Nachdem der Präzedenzfall einer Umschuldung nun geschaffen ist, werden bereits jetzt zaghaft erste Begehrlichkeiten der anderen hochverschuldeten Länder laut. Irland hat schon angedeutet, auch einen Schuldenerlass erhalten zu wollen. Nun stellt sich ja die Frage, wer den Banken ihre Verluste bezahlt, die sie durch etwaige weitere Umschuldungen einfahren werden. Da sie systemrelevant sind und unter allen Umständen gerettet werden müssen, weil sonst unser geliebter Finanzmarktkapitalismus den Bach runtergeht und mit ihm die Eliten der Finanzoligarchie, ist eine Rettung zwingend notwendig.
Frankreich dürfte spätestens im Frühjahr 2012 als Zahlerstaat mit der Topbonität AAA ausfallen, da Sarkozy, in ähnlicher Manier wie der italienische Lustmolch, nicht Willens ist, zu sparen und den sprichwörtlichen Gürtel enger zu schnallen. Immerhin stehen ja Wahlen vor der Tür. Der vielbeschworene Stabilitätsanker Europas, Deutschland, darf zusammen mit den verbliebenen AAA-Ländern die Suppe des Kreditexzesses auslöffeln. So lange, bis auch diese Länder als Zahlerstaaten ausfallen.

Währenddessen vermelden die Propagandamedien landauf landab den erfolgreichen Abschluss des G20-Gipfels und schwadronieren von unserer Bundeskanzlerin als Merkules. WiSoPol.de hat bekanntlich noch nie einen Hehl daraus gemacht, wie groß die Antipathie für die Bundeskanzlerin ist. Auch das die "etablierten" bzw. bezahlten Medien und ihre Huren nichts weiter tun, als ein Grundschüler bei einem Diktat, ist keine Neuigkeit. Lediglich die andauernde Blödheit der Völker ist erschreckend. Groß-Banken und deren "Geschäfte" werden sicherer gemacht, der Steuerzahler soll nicht mehr für die Verluste dieser Geldinstitute geradestehen. Die Wachkoma-Patienten vor dem Fernseher nicken sich zufrieden an und denken sich "Na bitte!". Und wenn sie dann noch hören, dass diese ominösen Spekulationsgeschäfte eingedämmt werden, können sie sich ein gepflegtes Nickerchen gönnen. Die "Ergebnisse" des G20-Gipfels sind indes natürlich bloße Makulatur. Anhand der spanischen Schuldenbremse, die bereits in neun Jahren eingeführt werden soll und wofür sich vermeintliche Diener des Volkes noch immer auf die Schulter klopfen, wird ersichtlich, was von diesen Gipfel-Beschlüssen zu halten ist. Diese sollen nämlich bereits 2016 in die Realität umgesetzt werden und wurden somit so weit in die Zukunft verlegt, dass sich, wenn es dann irgendwann einmal so weit sein sollte, keiner mehr an diese Vereinbarungen wird erinnern können. Auch hier drängt sich eine Frage auf: Wenn es beim Retten von Banken, Ländern und den ekelhaften Finanzoligarchen nicht schnell genug gehen kann, wenn hunderte Milliarden Euro innerhalb von Tagen oder höchstens Wochen zugesichert und garantiert werden müssen, warum dauert es dann so viele Jahre, bis demokratische und marktwirtschaftliche Selbstverständlichkeiten, wie etwa, dass eine Bank für ihre Verluste selbst verantwortlich ist, durchgesetzt werden?

Die Antwort auf diese Frage lautet unweigerlich, dass wir uns nicht mehr in einer Demokratie befinden. Wer Volksentscheide ablehnt, weil das Volk in seiner Gesamtheit zu dumm ist, wer sich von Bankiers vor den Wagen spannen lässt, um sich um einen Brotkrumen der Finanzmärkte zu balgen, der ist kein Politiker in einem demokratischen Staat. Wenn uns die letzten Wochen also etwas gelehrt haben, dann dies, dass wir im besten Fall von Deppen regiert werden, die sich nicht auf die Farbe von Scheiße einigen können, im schlechtesten Fall, dass wir von notorischen Lügnern und Betrügern regiert werden, deren oberstes Ziel es ist, mit dem eigenen Arsch an die Wand zu kommen.

Wie dem auch sei, die griechische Tragödie wird seit Wochen schon dazu missbraucht, von den wahren Problemen abzulenken, die weder in Italien, noch in Frankreich liegen. Sie liegen an der New Yorker und Londoner Börse, sie liegen darin, dass das angloamerikanische Finanzsystem nur noch durch Marktmanipulationen am Leben erhalten werden kann, weil die USA und Großbritannien bis über beide Ohren verschuldet sind und Millionen Menschen in beiden Ländern in Armut leben müssen. Warum seitens dieser beiden Länder mit dem Finger immer wieder auf Europa gezeigt wird und ein "Guckt mal, da ganz unten im klitzekleinen Griechenland, da ist doch wohl glasklar Rauch zu erkennen. Ganz klar, da brennt es!" ausgestoßen wird, während das eigene Land vor die Hunde geht und sich das Feuer der Revolution durch die Landstriche frisst, bedarf keiner Erörterung.
Die Angst der Regierenden vor den Regierten ist ein Wesensmerkmal der Demokratie. Dort, wo keine Angst oder wenigstens Respekt vor dem Volke herrscht, kann keine Demokratie sein...

Samstag, 22. Oktober 2011

Vertagte Entscheidungen

Es gibt dieser Tage nun wahrlich genügend Entscheidungen, die keinen Aufschub vertragen. Dennoch herrscht Uneinigkeit zwischen Deutschland und Frankreich hinsichtlich eines etwaigen Staatsbankrotts von Griechenland, während es unsere nationalen Polit-Granden nicht mal mehr schaffen, sich auf kleinteilige Steuerentlastungen zu verständigen. Wann wird Merkel mit ihrer Arbeit beginnen?

Eigentlich sind solche Wochen ja ein gefundenes Fressen für Beobachter des politischen Systems. Aufgeregt wird durcheinander geredet, die Nachrichtenlage ändert sich ebenso stündlich wie die Position unserer Regierung. Nur bei einer Sache scheint die Regierung Merkel sich sicher zu sein: keine Banklizenz für die EFSF.

Ganz ohne Ironie kann man hier von einem guten und richtigen Schritt der Bundesregierung sprechen. Immerhin würde das Rettungsmonster EFSF mit einer derartigen Banklizenz in die Lage versetzt, direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld zu beziehen, nicht als Ausnahme, sondern auf institutionalisiertem Wege. Die auf politische Unabhängigkeit getrimmten Zentralbanker fürchten um eben diese, wenn die EFSF mit einer Banklizenz ausgestattet werden würde. Die Aufgabe der EZB ist es nicht, für Kreditexesse privater Banken und maroder Staaten geradezustehen. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, Preisstabilität im Euro-Raum zu gewährleisten. Angesichts der für europäische Verhältnisse galoppierenden Inflationsraten scheinen die werten Herren schon mit dieser Aufgabe überfordert, warum ihnen also noch mehr aufbürden?

Aus Sicht des französischen Präsidenten ist es wohl einer der letzten Strohhalme, um die Abstufung der Kreditwürdigkeit seines Landes zu verhindern. Sarkozy will nicht an die eigene Schatulle und seine Großbanken retten, was auch daran liegt, dass sich in der eigenen Schatulle nicht viel mehr befindet als ein einsamer Knopf. Die von vielen Menschen befürchtete Situation, in der lediglich Deutschland und ein paar kleinere Länder mit Top-Bonität für die gesamte Euro-Zone bürgen müssen, wird nun zur Realität.

So wird aus dem morgigen EU-Gipfel, der einmal als Befreiungsschlag anberaumt wurde, ein Klassentreffen der Sitzenbleiber. Keine greifbaren Entscheidungen, keine endgültige Griechen-Rettung, die deutsche Regierung fährt weiter auf Sicht. Dabei wäre es mittlerweile vergleichsweise leicht, Griechenland in die Insolvenz zu schicken. Die verteufelten Finanzmärkte rechnen ohnehin mit einem derartigen Schritt, vom eigenen Wahlvolk ist in diesem Zusammenhang gar nicht erst zu sprechen. Stattdessen wird die schlechteste aller Alternativen gewählt und einfach nichts getan, frei nach dem Motto: Wer nichts macht, macht auch nichts verkehrt.

Der gestrige Koalitionsgipfel, der gefühlt 17. Neustart der schwarz-gelben Regierung, fügte sich in das Bild der Uneinigkeit ein. Nach mehr als fünf Stunden gab es keine Einigung, wortlos fuhren die Parteioberen in der Nacht vom Kanzleramt ab und ließen die Medienschar im Dunkeln.
Politiker geben normalerweise gerne Stellungnahmen am späten Abend ab. Abgekämpft, bis zur letzten Minute gefeilscht, um die eigenen Interessen und die der Wählerschaft durchzusetzen, das alles macht sich einfach gut vorm Publikum. Als Art Kontra-Indikator kann somit der Umstand gelten, wenn sich Politiker wortlos in ihre Dienstwagen setzen und ein dünnes "das entscheiden wir wann anders" zum besten geben. Der Aufschub wichtiger Entscheidungen wird immer mehr zur favorisierten Option für unsere Regierung. Der Groll bei den Liberalen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als endlich ein Mal liefern zu können und die steuerliche Entlastung durchzuboxen, dürfte entsprechend groß sein. Dieses Mal wurden sie jedoch nicht von der Mutti ausgebootet, sondern vom sozialdemokratischen Onkel aus Bayern. Horst Seehofer (CSU) fühlte sich übergangen, da spielte es auch keine Rolle, ob die geplante Herabsetzung der sogenannten kalten Progression gerecht ist oder nicht. Um im Familienbild zu bleiben: Seehofer hat schlicht sein Veto gegen die geplante Taschengeld-Erhöhung für die liberalen Pfadfinder eingelegt und somit erneut die Frage aufgeworfen, ob unsere Regierung handlungsfähig ist oder nicht.

Zurück zur europäischen Ebene: Da wir ja um die Vorliebe Merkels wissen, kurz vor knapp doch noch umzufallen und Sarkozy die Wünsche von den Augen abzulesen, ist das Durchhalten der deutschen Linie hinsichtlich der EFSF-Bankenlizenz fast schon ein Erfolg. Wie nachhaltig dieser ist, werden die kommenden Gipfeltreffen zeigen. Ich persönlich warte ja schon auf den Tag, an dem uns mitgeteilt wird, dass nun ein Arbeitskreis (neudeutsch: Task Force) gebildet wird, um die Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich auszuräumen. Einer alten politische Binsenweisheit folgend kann man so nämlich abermals ein paar Tage, im Idealfall gar Wochen herausschinden und sich um ebenso schmerzhafte wie notwendige Entscheidungen drücken. Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis...

Währenddessen wird auf den Aktienmärkten ein Kursfeuerwerk abgefackelt, durch nichts angetrieben als durch Hoffnung. Man sagt ja immer, die Aktienmärkte würden die Zukunft vorweg nehmen. In diesem Sinne dürften die kommenden Tage auch für die breiten Bevölkerungsschichten hoffnungsgeschwängert sein. Während die Aktienmärkte jedoch von einer für sie positiven Entscheidung träumen, hoffen die Völker Europas wohl eher darauf, dass überhaupt entschieden wird. Die Hoffnung stirbt ja schließlich auch zuletzt...

Sonntag, 16. Oktober 2011

Die okkupierte Okkupation

Nach den gestrigen weltweiten Protesten macht sich in Deutschland Ernüchterung breit. Trotz unerwarteter Unterstützung seitens der Hauptstrom-Medien beläuft sich die Zahl der Teilnehmer auf wohlwollend geschätzte 40.000 und liegt somit unterhalb der Zuschauerzahl, die sich gestern das Bundesliga-Spiel zwischen Bayern München und Hertha BSC Berlin im Stadion angeguckt haben.

Das diffuse Gefühl, im vermeintlichen Kapitalismus laufe etwas falsch, veranlasste tausende Menschen am Samstag dazu, auf die Straßen zu gehen. Doch was genau falsch läuft, welche systemischen Wurzeln von Fäulnis befallen sind, war an diesem Tag nicht so wichtig. Eine stärkere Regulation der Banken war eine der Forderungen. Mehr soziale Gerechtigkeit und der freie Zugang zur Bildung rundeten das linke Potpourri ab. Den Blick hinter die Kulissen des wirtschafts-politischen Komplexes wagten nur wenige.

Nicht nur die ausufernde Berichterstattung der alteingesessenen Medien wunderte verschiedenste Beobachter. Auch die Okkupation der Besetzungs-Bewegung durch "Globalisierungkritiker" wie attac sorgte hier und da für Verwunderung. Nicht etwa das Zentralbank-System war Kern der Kritik, auch nicht die Probleme, die ungedecktes Geld mit sich bringt. Viel eher ging es dumpf darum, die Großbanken an den Pranger zu stellen. Selbstredend sind die nicht enden wollenden Rettungen und Stützungen für Privatbanken kritisch zu hinterfragende Aktionen, sie sind allerdings lediglich ein Symptom für das tiefergehende Problem des Schuldgeld-Systems.

Auch die Unterstützung von "linken" Parteien ließ aufhorchen. Grüne und SPD ließen sich nicht lange bitten, sie machten sich schnell mit den Protestlern gemein und begrüßten die Demonstrationen gegen die Macht der Banken und Finanzmärkte.

Dass die Finanzmärkte derart mächtig sind, liegt jedoch zu einem nicht unerheblichen Teil daran, dass die westlichen Regierungen sie gewähren ließen, auch weil die Finanzindustrie in den USA, Großbritannien und anderswo erheblich zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Insofern mutet die Solidarisierung von den Parteien, die der Entfesselung der Finanzmärkte Vorschub leisteten, doch ziemlich obskur an. Wer hat die Banken derart groß werden lassen, wer hat Fusionen zugestimmt, sollte eine Zustimmung seitens der Politik überhaupt notwendig gewesen sein?

Auch Gewerkschaften machten sich mit der Besetzungs-Bewegung gemein. Auch sie sind aber nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Systems, welches kritisiert werden sollte. Es ist doch schizophren, wenn Gewerkschaften, die seit Jahren immer weniger Mitglieder haben und für diese bis auf wenige Ausnahmen Löhne aushandeln, die unter dem Motto "Lohnzurückhaltung" durchgedrückt werden, auf einmal gegen die soziale Ungerechtigkeit wettern und sich dem Guy Fawkes-Maskenball anbiedern.

Eines jedenfalls hatten die gestrigen Proteste mit der Politik gemein: Sie verlegten sich nicht darauf, grundlegend etwas ändern zu wollen, sondern wollten durch das Herumdoktorn an seit langem bekannten Symptomen etwas bewirken.

Der mediale Hype um die Besetzungs-Bewegung jedenfalls sorgte dafür, dass wesentliche Nachrichten nur bedingt die Masse erreicht haben dürften. Außenminister Westerwelle (FDP) sprach im BamS-Interview von der Notwendigkeit, in der Öffentlichkeit über das "neue Europa" und nicht hinter verschlossenen Türen von Ministerräten zu sprechen. Was mit einem "neuen Europa" gemeint ist, wurde aus dem Interview indes nicht klar ersichtlich. Westerwelle jedenfalls wolle einen Konvent nach Artikel 48 EU-Vertrag einberufen, um eine Stabilitätsunion in Europa zu errichten. Es ist allerdings kaum vorstellbar, dass zum momentanen Zeitpunkt und auf absehbare Zeit hinaus der Wille bei den Völkern Europas vorhanden sein wird, einer weitergehenden Ausdehnung der Brüsseler Zuständigkeiten zuzustimmen.
In China droht derweil Ungemach, eine eitrig-gelbe Blase könnte im Riesenreich platzen. Und welche Geldhäuser in den nächsten Tagen untergehen könnten, war an diesem Wochenende auch nicht mehr von Belang, weil ein breites linkes Netzwerk zum Protest gegen Banken getrommelt hatte. Nicht der Umstand, dass es sich um linke Parteien und Gruppierungen handelt, ist das Problem, sondern die Tatsache, dass nicht die Individuen am Samstag im Vordergrund standen, wohl aber Fähnchen von attac & Co.

Freitag, 14. Oktober 2011

Das missglückte Säbelrasseln der USA

Nachdem in dieser Woche zunächst die Agenturmeldungen über die Ticker liefen, Teile der iranischen Regierung hätten ein Attentat auf den saudischen Botschafter in den USA geplant, wendet sich das Blatt der Berichterstattung nun und die Zweifel an der US-Version dieser Posse werden immer lauter.

In der Vergangenheit wurde ja oft über eine etwaige US-Invasion in den Iran spekuliert, auf manchen Seiten schien es fast so, als sei diese ausgemachte Sache. Indes, es fehlte ein triftiger Grund. Dieser könnte nun gefunden worden sein, nachdem die US-Regierung am Dienstag vermeintliche Attentatspläne gegen den saudischen US-Botschafter enthüllte. In die Pläne sollen "Teile der iranischen Regierung" involviert gewesen sein, wie US-Justizminister Eric Holder verkündete. Eilig schob er hinterher, dass damit nicht die Obersten der Regierung gemeint seien. Dennoch ließ er keinen Zweifel daran, dass die USA den Iran zur Verantwortung ziehen werden. In diese Kerbe schlug auch Außenministerin Clinton, die scharfe Sanktionen gegen den Iran forderte sowie eine weitergehende Isolation Teherans.

Das Säbelrasseln der USA kommt zu einer äußerst passenden Zeit, auf ganz ähnliche Weise wie die angebliche Tötung von Osama bin Laden vor ein paar Monaten. Die USA werden es sich dennoch nicht wagen, einen Krieg gegen den Iran vom Zaun zu brechen, jedenfalls nicht im Alleingang. Dies liegt nicht etwa daran, dass die USA dies nicht wollen würden, sie können es sich schlicht nicht leisten.

Bliebe noch Israel. Schon seit geraumer Zeit liebäugelt die dortige Regierung mit einem Militärschlag gegen den Iran. Israel könnte mit einem etwaigen Angriff von den eigenen sozialen Problemen ablenken, von den Demonstrationen, die vor kurzem auf eben diese Problemkreise hinwiesen. Dies gilt ebenso für die USA, der Unterschied besteht jedoch darin, dass sich Israel der "internationalen Solidarität" sicher sein kann, während das US-Militär mittlerweile daran gewöhnt sein dürfte, Kriege im Alleingang durchzuziehen.

Der vermeintliche PR-Coup entpuppt sich unterdessen als missglücktes Säbelrasseln der USA. Die Analogie zur Tötung bin Ladens ist frappierend. Das iranische Staatsoberhaupt, Ajatollah Ali Chamenei, warf den USA vor, eine Iran- bzw. Islam-Phobie schüren zu wollen. Dies werde Chamenei zufolge scheitern. Während sich die USA vor wenigen Monaten noch der internationalen Schulterklopfer, ob der Tötung bin Ladens, sicher sein konnten, weht der Wind nun offenbar aus einer anderen Richtung. Die alten Rezepte, die einen Krieg nach US-Art ermöglichten, schmecken der Welt nicht mehr, sie sind allerdings nicht etwa fad oder lind. Der Geschmack der Lüge überlagert das Rezept, auch weil sich bei vielen Leuten mittlerweile die Geschmacksnerven von den vielen Lügen erholt zu haben scheinen, die einst durch den medialen Einheitsbrei abgetötet wurden.

Das Salz in der Kriegssuppe kann keine Wirkung mehr entfalten, ein schnöder "vereitelter" Attentatsplan reicht längst nicht mehr dafür aus, dass die USA ihre geopolitischen Interessen zu verfolgen im Stande sind. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob nicht doch wieder ein paar Rebellen aus Obamas Hut gezaubert werden. Im Falle Libyens reichten diese, um einen Krieg zu rechtfertigen...

Mittwoch, 12. Oktober 2011

15. Oktober - Der Anfang vom Ende

Weltweit bereiten sich tausende Menschen auf den kommenden Samstag vor. In hunderten Städten wird an diesem Tag der Aufstand gegen die Hochfinanz und den in ihr agierenden Oligarchen geprobt. Der Augangspunkt für die Protestwelle liegt in New York, von dort aus schwappt die Welle der Empörung nun über den gesamten Globus.

Es gärt in der westlichen Welt. Zu viele Milliarden flossen in den vergangenen Jahren in die Taschen der ohnehin schon über Gebühr reichen Menschen. Zu viele Billionen wurden in die schwarzen Löcher der Bankenbilanzen gepumpt, ohne erkennbaren Effekt für die Bevölkerung. Es sind nicht die Banken, die systemrelevant sind, es sind die Bürger der Staaten, von denen Politiker, Banker und schlussendlich auch die Demokratie insgesamt abhängen.

In den deutschen Großstädten wie Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Leipzig und an vielen anderen Orten soll nun ein Zeichen gesetzt werden, wider der käuflichen Entscheidungsträger der Politik und für die Zurückerlangung der Demokratie, die in den letzten Dekaden ausgehöhlt und so in ein Zerrbild ihrer selbst verwandelt wurde.

Jeder, der die Nase voll davon hat, dass die Politik den Finanzmärkten hinterher rennt und den Großbanken jeden Wunsch von den Lippen abzulesen scheint, jeder, der der Tyrannei des Finanzmarktkapitalismus ein Ende setzen will, ist aufgerufen, sich an diesen Protesten zu beteiligen und seiner Empörung auf friedliche Art und Weise Ausdruck zu verleihen.

Bis jetzt zeichnet sich in vielen deutschen Städten eine durchaus rege Beteiligung ab, gemessen an der relativ kurzen Vorlaufzeit zur Vorbereitung der Protestzüge. Statt im Freundes- und Bekanntenkreis oder im Internet große Reden zu schwingen, ist nun die Zeit gekommen, um sich aufzuraffen und sich der überall anzutreffenden Lethargie zu entledigen. In diesem Sinne: Runter von der Couch, raus auf die Straße! Am Samstag ist ein Pflichttermin!

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Die Angst vor den 99 Prozent

Immer mehr Finanzhaie und Profiteure des vorherrschenden Finanzsystems anglo-amerikanischer Art bekommen es mit der Angst zu tun und solidarisieren sich mit den Demonstranten der Occupy Wall Street-Bewegung. Das Kalkül dahinter dürfte weniger Läuterung sein oder gar ein Umdenken, viel eher geht es diesen Menschen wohl darum, nicht vom wütenden Mob der 99 Prozent angegriffen zu werden.

Wenn Milliardäre sich über ein System aufregen, welches ihnen ihr groteskes Vermögen erst ermöglicht hat, dann liegt der übelriechende Geruch der Heuchelei über diesen. Zu Beginn der Anti-Wall Street-Bewegung wurden die Besatzer noch müde belächelt, es war wichtiger darüber zu berichten, dass diese hunderte Menschen kostenlos von einem örtlichen Pizza-Lieferanten mit Lebensmittel versorgt wurden. Das auf die Forderungen der Demonstranten eingegangen würde, konnte man nicht erwarten. Mittlerweile haben sich die Proteste jedoch über die gesamten USA ausgebreitet, was als Strohfeuer begann, droht nun den Dachstuhl der größten Volkswirtschaft der Welt zu erfassen. Die teils unverhältnismäßig harten Polizeieinsätze trugen nicht zur Beruhigung der Lage bei, ganz im Gegenteil beschleunigten sie die Ausbreitung der Proteste. Die etablierten Medien stürzten sich geradezu auf die Festnahme hunderter Demonstranten vor ein paar Tagen und leisteten der Verbreitung somit, in den meisten Fällen wohl eher unfreiwillig, Vorschub.

Die Kluft zwischen armen und reichen Menschen ist wohl nirgends größer als in den USA. Insofern ist es einzig erstaunlich, dass die US-Bürger erst jetzt opponieren. Die Einlullungsversuche der Massenmedien greifen nicht länger. Der geopolitische Stratege Zbigniew Brzezinski warnte bereits vor geraumer Zeit vor dem politischen Erwachen der Menschheit. Diese Befürchtung scheint sich nun zu bestätigen.

Da erscheint es doch geradezu lächerlich, wenn sich ein George Soros nun hinstellt und sagt, er sympathisiere mit den Demonstranten oder der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters sagt, dass er die Leute verstehen könne. Genau die Leute, die durch die Armut von Millionen ihr Vermögen erst aufbauen konnten, gerieren sich auf einmal als Samariter und äußern Verständnis? Diese Menschen haben nicht umgedacht, sie haben die grundsätzlichen Probleme ihres Reichtums nicht erkannt, der es eben erfordert, dass viele viele andere Menschen arm sind. Sie haben schlicht Angst um ihre eigene Haut und biedern sich der Protestbewegung nun an. Damit sind sie schließlich auch in der Vergangenheit gut gefahren. Die 99 Prozent werden hoffentlich nicht auf diese durchsichtigen Versuche hereinfallen und diese Menschen, auf welchen Wegen auch immer, einer kalten Enteignung unterziehen.

In diesem Sinne: "Reicher Mann und armer Mann // standen da und sahn sich an. // Und der Arme sagte bleich: // »wär ich nicht arm, wärst du nicht reich«." Bertolt Brecht

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Der schleichende Kollaps der Euro-Zone

Während sich die griechische Bevölkerung nicht länger auf der Nase herumtanzen lässt und ihrem Unmut über die nicht enden wollenden Spar- und Rettungspakete Ausdruck verleiht, rückt erneut Italien in das Schlaglicht der internationalen Hochfinanz. Selbst kühne Optimisten rechnen derweil mit einem Schuldenschnitt für Griechenland, obschon dieser dem deutsch-französischen Tandem im sprichwörtlichen Halse stecken bleiben könnte.

Die Lage hatte sich in den vergangenen Tagen etwas beruhigt, zumindest innerhalb der Medien wich die Panik einem apathischen Schulterzucken. Nun ist es ja nicht so, dass diese Entwicklungen niemand vorhergesehen hat. Ob auf WiSoPol.de oder auf den zig anderen Seiten, auf denen sich selbsternannte Hobbyökonomen die Klinke in die Hand geben, bereits vor Monaten war zu lesen, dass ein Schuldenschnitt das beste für die Hellenen wäre.

Dennoch wurde stur, fast schon trotzig, am bekannten Schema F festgehalten. Der Internationale Währungsfonds hatte schließlich ein Patentrezept in der Schublade, welches oft erprobt, jedoch nur selten erfolgreich war. Der IWF verordnet Schuldenländern nämlich stets eine Radikalkur, die unter anderem aus massiven Kürzungen und Einsparungen im öffentlichen Sektor besteht. Sicher ist es richtig, dass der griechische Staat und sein Beamtenapparat sehr ineffizient arbeitet. Ein Blick in die deutsche Geschichte reicht jedoch, um zu erkennen, dass man nicht in eine Krise hinein sparen kann. Auch dadurch wurde doch den Nationalsozialisten Anfang der 1930er-Jahre der Weg geebnet, der sogenannte Hungerkanzler Heinrich Brüning sparte die Weimarer Republik kaputt und sorgte so dafür, dass die ohnehin wackelige erste Demokratie auf deutschem Boden von einem Österreicher ausgehöhlt und schlussendlich in einen totalitären Staat umgewandelt wurde. Dennoch oder gerade deshalb hält der IWF an seinem Mantra der Deregulierung, Privatisierung und Verschlankung des Staates fest. Wie man anhand der neuen Statistiken rund um die griechische Wirtschaft sieht, kann auch dieses Spardiktat als gescheitert betrachtet werden.

Da stellt sich dem Beobachter der Szenerie doch eine entscheidende Frage: Wenn Griechenland die Sparvorgaben aus Brüssel und Washington D.C. nicht erfüllt, warum wird dann überhaupt noch darüber nachgedacht, die nächste Griechenland-Tranche in Höhe von acht Milliarden €uro eventuell auszubezahlen? Sollte diese Tranche ausgezahlt werden, gibt sich die Troika, bestehend aus Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und eben jenem IWF, der Lächerlichkeit preis. Das Signal wäre, dass es keine Rolle spielt, ob sich an Sparvorgaben gehalten wurde oder nicht, das Geld fließt trotzdem. Ich höre schon den bundesdeutschen Hosenanzug quaken, Griechenland sei systemrelevant und müsse deswegen unbedingt gerettet werden.

Im Gegensatz zum netten Plausch beim Schwiegersohn der Nation musste sich unsere hochverehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel (CDU) am gestrigen Dienstag so einiges anhören. In Magdeburg stand die letzte CDU-Regionalkonferenz an und nicht wenige CDUler nutzten diese Veranstaltung als Ventil für die eigene Unzufriedenheit mit der Fahne im Wind. Merkel, ganz Gebetsmühle, wiederholte ihre gestanzten Worthülsen und verwies abermals darauf, dass ein Schuldenschnitt für Griechenland erhebliche Gefahren berge, als sei dies bei den mannigfaltigen Rettungspaketen nicht so.
Ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble fuhr ihr in Luxemburg in die Parade. Dort war er anlässlich eines Treffens der Euro-Finanzminister. Es sei "intensiv" über einen Schuldenschnitt für Griechenland debattiert worden, ließ er Journalisten nach dem Treffen wissen. Selbst der letzte wirkliche Merkel-Verbündete vollzieht also unter dem Deckmäntelchen der anderen Euro-Finanzminister eine veritable Absatzbewegung von der Kanzlerin.

Am späten Dienstagabend schließlich verkündete die Ratingagentur Moody's, dass die italienische Kreditwürdigkeit gleich um drei Stufen herabgestuft wurde. Damit war nun wieder eines der adipösen Euro-Länder ins Scheinwerferlicht gerückt, welche zu fett sind, um gerettet werden zu können. Der Schuldenwurm frisst sich heiter weiter durch Europa, während die Eliten der Politik zusehends nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Und wenn dann doch mal einer von ihnen eine Idee hat, wird diese von den sogenannten Euro-Partnern kassiert, unter welchen fadenscheinigen Begründungen auch immer. Man darf gespannt sein, wie lange die Euro-Gralshüter noch an der Währung festhalten. Im Hintergrund jedenfalls dürften bereits seit längerem Vorkehrungen getroffen worden sein, eine etwaige Implosion des Euro vermittels der Einführung temporärer nationaler Währungen abzufedern. Wahrscheinlich getrauen sich diese Status quo-Politiker, die unsägliche Angst vor einer Veränderung haben, eine derartige Umwälzung aber erst dann, wenn das französische AAA-Rating fällt beziehungsweise wenn die Top-Bonität Deutschlands auf dem Spiel steht. Erst dann nämlich droht das zur Realität zu werden, was der Chef der Finanzdienstleistungsaufsicht, Jochen Sanio, vor einigen Monaten bezüglich einer Bankenrettung im kleinen Kreis zum besten gab: „Sonst kommen die Steuerzahler und hängen uns alle auf“. Immerhin: Genügend Laternen gäbe es für diese extreme Form des Volksprotests.

Die Bemühungen, Griechenland finanziell am Leben zu erhalten, wenigstens bis der dauerhafte Rettungsschirm ESM durch die europäischen Parlamente gepeitscht wurde, werden nicht erfolgreich sein. Bis heute ist noch nicht einmal die Erweiterung der EFSF von allen Euro-Parlamenten gebilligt worden und die Abstimmungen über den ESM wurden auf das Frühjahr des kommenden Jahres verschoben. Diese Auslagerung auf die Zukunft ist neuerdings die große Mode der EU und der Euro-Länder. Nicht umsonst wurde beispielsweise die hochgejubelte spanische Schuldengrenze auf das Jahr 2020 datiert. Genügend Zeit also, um "strukturelle Anpassungen" oder ähnliches an dieser vornehmen zu können.

Wie dem auch sei, in Griechenland zeigt sich das Dilemma eines völlig überschuldeten Staates: Einsparungen verschärfen die wirtschaftliche Lage, mehr Geld ausgeben lässt sich aber auch nicht, da man ja überschuldet ist. Dieses Szenario blüht mittelfristig auch Kerneuropa. Wobei mittelfristig in diesen Tagen eher Monate, denn Jahre meint.

Samstag, 1. Oktober 2011

Das Land der unbegrenzten Tödlichkeiten

Das unser Friedensnobelpreisträger keine weiße Taube auf seiner Schulter sitzen hat, wusste die informierte Öffentlichkeit noch vor der Preisverleihung in Oslo im Jahr 2009. Nun aber zeigt sich, dass die Aufgabe eines Nationalstaates, seine eigene Bevölkerung im In- und Ausland zu schützen, ins Gegenteil verklärt wurde. Anwar al-Awlaki, US-Staatsbürger und "Hassprediger", wurde bei einem Drohnenangriff im Jemen getötet.


Jenseits des Atlantiks ist nun eine Debatte darüber entbrannt, ob Obama seine eigene Bevölkerung töten lassen darf. Die Begründungen für die Exekution al-Awlakis sind an den Haaren herbeigezogen. Die Situation im Jemen hätte eine Verhaftung des Getöteten nicht zugelassen, lautet eine Begründung der US-Administration. Wenn man jemanden nicht festnehmen kann, hat dieser also sein Recht auf Leben verwirkt und darf getötet werden.
Außerdem hätte er sich in einem bewaffneten Konflikt der Gegenseite angeschlossen, somit hätte man ihn nicht nur töten können, sondern sogar müssen, er ist ja ein Feind. Und schließlich durfte auch die generelle Begründung, nach der al-Awlaki eine "unmittelbare Bedrohung" für andere Amerikaner dargestellt hätte, nicht fehlen. Immerhin war er im Jemen, lächerliche 13.000 Kilometer von den USA entfernt. Eine Salve des AK-47 hätte also dutzende Zivilisten auf US-Territorium töten können, eine Erschießung war unausweichlich.


Wie viel Wert ein Menschenleben für den amtierenden US-Präsidenten hat, zeigt der Umstand, dass das Telefon al-Awlakis nur mit einem richterlichen Beschluss hätte abgehört werden dürfen, zur Exekution des US-Staatsbürgers war dies allerdings nicht notwendig. Auch die Aussagen Obamas, nach denen Terrorverdächtige nicht ohne fairen Prozess festgehalten werden dürfen, erscheinen angesichts der Tötung als wenig einleuchtend. Der "bedeutende Meilenstein" im Kampf gegen den Terrorismus, den Obama durch die Erschießung des US-Bürgers erreicht glaubt, ist indes nicht viel mehr, als ein Zeuge dafür, in welchem Ausmaß die Hatz nach Terroristen dem Verfassungskenner Obama die Sinne vernebelt hat. Vielleicht aber auch nur ein Zeuge für die Depressionen, an denen Obama angeblich leidet.


Der US-Präsident verkriecht sich hinter dem US-Justizministerium, da dieses die Tötung des "Top-Terroristen" zuvor abgesegnet habe. Viele andere US-Juristen zweifeln dagegen an der Rechtmäßigkeit der Tötung. Sie werfen Obama vor, gegen nationales Recht verstoßen zu haben und die US-Verfassung zu missachten. Im Kampf gegen den Terror kann auf derlei Nebensächlichkeiten natürlich keine Rücksicht genommen werden, schließlich geht es um sicherheitspolitische Aspekte, da sind demokratische Prinzipien hinderlich und lästig.


Der Tod von al-Awlaki, der der erste US-Bürger auf der "schwarzen Liste" der CIA und dementsprechend zum Abschuss freigegeben war, ist tatsächlich ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der USA. Die Aushöhlung der Demokratie ist spätestens jetzt im Kern des Demokratischen angekommen. In diesem Kern finden sich solche Banalitäten wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Leben. Diese Rechte gelten seit der Unabhängigkeitserklärung für jeden US-Bürger. Diese Allgemeingültigkeit ist nicht erst seit der Tötung von Terroristen obsolet geworden, die Todesstrafe in den USA deutet darauf hin, dass die USA als Land der unbegrenzten Tödlichkeiten angesehen werden kann.

Dienstag, 27. September 2011

Wie aus einem Euro acht werden...

Die Zweckgesellschaft EFSF soll eine neue Zweckgesellschaft mit Kapital ausstatten, damit diese neue Zweckgesellschaft Staatsanleihen europäischer Länder direkt von diesen kaufen kann. Weiterhin darf die neue Zweckgesellschaft eigene Anleihen ausgeben und diese bei der EZB hinterlegen. Obendrauf gibt es noch eine Banklizenz. Die Europäer leben den amerikanischen Traum...

Der neueste Vorschlag aus Übersee, der laut dem US-Fernsehsender "CNBC" schon konkrete Formen angenommen hat, reiht sich ein in die Reihe der verzweifelten Versuche der Politiker, der Krise Herr zu werden. US-Finanzminister Geithner hatte schon am Wochenende auf der IWF-Tagung angemahnt, dass die Europäer mehr tun müssten, auch US-Präsident Obama kritisierte die Zögerlichkeit der Europäer. Nun soll es also eine neue Zweckgesellschaft richten, die von der alten Zweckgesellschaft, der EFSF, mit Kapital ausgestattet werden soll.

Anders als die EFSF soll diese nicht nur am Kapitalmarkt Staatsanleihen maroder europäischer Länder kaufen können, sondern auch direkt von den jeweiligen Ländern. Damit umgeht man den lästigen Markt und rückt näher zusammen, die befürchtete Schuldenunion wird konkret. Die EZB, die entgegen der eigenen Statuten momentan Staatsanleihen der Euro-Länder aufkauft, würde dadurch dem Vernehmen nach entlastet werden.

Die neue Zweckgesellschaft kann aber noch viel mehr: Sie darf beispielsweise eigene Anleihen ausgeben. Die Staatsanleihen Griechenlands und der anderen PIIGS-Staaten werden im Sinne des Outsourcing von der EZB weg- und zur Zweckgesellschaft hingeleitet. Diese Zweckgesellschaft könnte dann, weil sie ja so solvent ist, eigene Anleihen bei der EZB hinterlegen und sich bei dieser frisches Kapital besorgen, ergo eine Art Banklizenz erhalten.

Was bringt dieses neuerliche Vabanquespiel? Ziel ist es laut CNBC, dass diese neue Zweckgesellschaft Fremdkapital auftreibt, um so eine Hebelwirkung auf die vorhandenen Euro, die diese Zweckgesellschaft von der anderen Zweckgesellschaft EFSF erhält, zu ermöglichen. Im Raum steht, dass aus einem eingezahlten Euro bis zu acht Euro werden können. Dadurch verspricht man sich jenseits des Atlantiks eine bessere Ausstattung der immer neuen Rettungsschirme und Zweckgesellschaften.

Selbstredend dementiert Finanzminister Schäuble (CDU) derzeit noch vehement derartige Pläne. Nicht etwa, weil er sie tatsächlich nicht umsetzen wollte. Am Donnerstag steht aber noch eine lästige, weil rest-demokratische, Abstimmung im deutschen Bundestag an. Bei dieser geht es nicht um diese Pläne, sondern zunächst einmal um eine Ausweitung der EFSF und ein paar Milliarden mehr. Die FDP kritisierte, dass wenige Tage vor der Abstimmung über die EFSF-Ausweitung schon wieder gänzlich neue und tiefgreifendere Pläne auf den Tisch kommen. Eilig ließ Schäuble durchblicken, dass er von derartigen Plänen natürlich überhaupt nichts hielte.

Die Süchtigen an der deutschen Börse kümmern sich um derartige Aussagen herzlich wenig: Ein Kursanstieg von mehr als drei Prozent beim DAX am Dienstag zeugt davon. Die zuletzt arg gebeutelten Finanzwerte gewannen ebenfalls kräftig. Es stellen sich also zwei Fragen: Wer ist in Europa Koch und wer ist Kellner? Sicher, das uns die Amis reinreden, ist jetzt nichts soooo Neues. Lediglich die Vehemenz, mit der diese ihre Pläne zur Rettung des alten Kontinents vortragen, überrascht etwas. Immerhin könnte man ja auch zu dem Schluss kommen, dass die USA vor der eigenen Haustür genügend Probleme hat, beispielsweise eine hohe Arbeitslosigkeit, ein gelähmtes politisches System oder ein Millionen-Heer von Menschen, die auf Lebensmittelmarken angewiesen sind.
Die andere Frage, die sich stellt, ist, ob man Schäuble Glauben schenken darf, wenn er die oben vorgestellten Pläne ablehnt bzw. ob diese Ablehnung auch nach Donnerstag noch Bestand hat, wenn die EFSF-Erweiterung durch den Bundestag gepeitscht wird, selbstredend mit freundlicher Unterstützung von SPD und Grünen.

Zunächst dürfen wir uns aber auf die Abstimmung am Donnerstag freuen. Ob der Auftritt Merkels beim Talkmaster der Nation die eigenen Reihen tatsächlich geschlossen hat und ob es folglich zu einer Kanzlerinnen-Mehrheit reicht, ist bis zuletzt ungewiss. Wahrscheinlich reicht es knapp für Merkel, die Abgeordneten lassen sich bestimmt irgendwie einlullen, von den Skeptikern, die im Vorfeld bereits ihr Nein angekündigt haben, einmal abgesehen. Die vielen Unentschlossenen wird die Fraktion schon auf Linie bringen. Damit stünde einem weiteren Akt im europäischen Drama nichts mehr im Wege.

Montag, 26. September 2011

2011 vs. 2008

Mit alten Rezepten auf neue Probleme zu reagieren, war noch nie ein probates Mittel. Was 2008 noch funktionierte, ist nun obsolet. Ob nun die wimmernden Aufrufe an die Staaten, erneut einige Milliarden oder Billionen in die Hand zu nehmen oder der Abverkauf des Papiergoldes: Die alten Rezepte entfalten keine Wirkung mehr.

Was ist am Wochenende und heute nicht alles geschrieben worden. Die Blase am Gold- und Silbermarkt wäre geplatzt, der Traum der ewig steigenden Kurse ausgeträumt und überhaupt habe ja eigentlich jeder gewusst, dass die Edelmetalle keine Gewinne abwerfen würden. Natürlich ist eine Blase geplatzt, nur eben nicht bei den physischen Edelmetallen. Während die Papiergold-Kurse heute erneute Verluste einfuhren, berichten viele Edelmetall-Händler vom umsatzstärksten Tag seit 2008. Die einschlägigen Webseiten sind nur schlecht oder gar nicht zu erreichen, vor den Edelmetall-Händlern bilden sich zuweilen Schlangen, die eine mehrstündige Wartezeit verheißen. Während in 2008 noch alle Welt in Staatsanleihen flüchtete, weil diese schießlich "sicher" seien, scheint dieses Mal mit des Volkes Füßen über die Zukunft abgestimmt zu werden.
Währenddessen stiegen heute die Aktienkurse und der geneigte Beobachter fragt sich zu Recht: Warum stiegen die Kurse eigentlich?

Als im Jahr 2008 Lehman Bankrott ging, sanken die Papiergold-Kurse ebenfalls. Die Hintergründe des damaligen und heutigen Kursverfalls sind Gegenstand der Spekulation über Kartelle, dubiosen Hintermännern und anderen Gestalten und sollen dementsprechend an dieser Stelle nicht besprochen werden. Viel eher stehen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Jahre 2008 und 2011 im Vordergrund. Damals wurden nicht wenige aus ihrem Tiefschlaf geweckt, viele Menschen machten sich ihre Gedanken um das Weltfinanzsystem. Die wenigsten von ihnen sind seit diesem Zeitpunkt der Ansicht, dass unser derzeitiges Papiergeld-System, in dem "Geld" durch nichts gedeckt ist und dementsprechend mit einem Mausklick erschaffen werden kann, der Weisheit letzter Schluss ist. Viel eher begriffen die Menschen, dass etwas nicht stimmt.

Dieses diffuse Gefühl veranlasste Menschen dazu, sich tiefergehend mit dem heute vorherrschenden Finanzmarkt-Kapitalismus zu beschäftigen. Sie erfuhren, dass das "Wachstum", welches angloamerikanische Großbanken erwirtschafteten, nicht viel mehr war, als ein riesiges Schneeball-System, in dem der verliert, der zum Ende der Musik die Scheiße, die er in seinen Händen hielt, nicht einem anderen Doofen angedreht hatte.

2008 begnügten sich auch Viele damit, dass Milliarden und Billionen zur Rettung eines Systems aufgewendet wurden, welches die Meisten gar nicht verstanden hatten. Ferner unterstützten sie diese Rettungsversuche der Nationalstaaten auch noch, immerhin ging es ums System. Drei Jahre später zeigt sich nun, dass diese Unterstützung bröckelt. Auch wird die Frage, wie viel Rettungen und wie viele Milliarden denn noch notwendig seien, um das (nicht zu rettende) System zu schützen, offen gestellt.

Der Gipsnacken Deutschlands jedenfalls zeigte sich am Sonntag in einer Fernsehsendung betont resolut. Der hohle Hosenanzug verdingte sich die Zeit mit einem netten Plausch und mit einem noch viel netteren Fragensteller. Beruhigung war das oberste Gebot der Stunde. Da verkam der Umstand, dass sich der Gast selbst eingeladen hatte, fast zur Randnotiz.

Im Gegensatz zu 2008ff. scheinen derartige Bemühungen in diesem Jahr von wenig Erfolg gekrönt zu sein. Die legendäre Versicherung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verhinderte einen Banken-Run, wie beide heute freimütig zugeben. Er sei zwar rechtlich nicht unbedingt einwandfrei gewesen, aber immerhin habe er seine Wirkung nicht verfehlt. Diese Politik der verbrannten Erde verdeutlicht, wie schlimm es bereits damals um das System, was wir angeblich alle irgendwie unterstützen, stand. Der Köder von damals lockt heute niemanden mehr. Er ist zur erneuten Verwendung nicht geeignet.

Die Missachtung von grundsätzlichen Marktprinzipien, die sich Großbanken und Politiker gleichermaßen auf ihre jeweiligen Fahnen schreiben, zeigt doch vor allem, dass wir im Bezug auf Geldhäuser nicht mehr von einer Marktwirtschaft sprechen können. Das Risiko, einen Totalverlust mit seiner Unternehmung zu erleiden, gemeinhin auch als unternehmerisches Risiko bezeichnet, existiert nicht mehr, seit die Floskel "too big to fail" aufgekommen ist. Die Politik erteilt den mächtigen Finanzinstituten eine Absolution und die Völker feiern dies auch noch als gelungenen Coup. Dieses Verhalten erinnert an jenes von Sklaven, die sich darüber freuen, dass der Besitzer einen größere Profit eingefahren hat, unwissend, dass der größere Profit von heute das Minimum von morgen ist.

Im Unterschied dazu drängen sich im Jahr 2011 wesentlichere Fragen auf. Beispielsweise die, warum Banken eigentlich nicht pleite gehen dürfen oder warum Politiker über Steuergelder, die noch nicht mal abgeführt wurden und in den nächsten Jahren auch nicht abgeführt werden, in Milliardenhöhe entscheiden können, um Geldhäuser zu retten. Das Verständnis für die Rettungsaktionen schwindet und damit auch das Verständnis für das System des Westens, was bestenfalls als korrumpierter Kapitalismus zu bezeichnen ist, im schlechtesten Fall als ein Diktat der Geldelite.

Überhaupt erscheinen die Ideen, die dieser Tage durch die Medien schwirren, als wenig tragfähig. Noch mal ein paar Billionen mehr, damit endlich Ruhe ist, wenn auch nur Friedhofs-Ruhe. Im Idealfall sollte man darüber nachdenken, den Euro-Rettungsschirm mit unbegrenzten Finanzmitteln auszustatten. Auch eine Möglichkeit, die eigenen politischen Handlungen als alternativlos in Stein zu meißeln. Indes wird dieser wirklich nur noch als lächerlich zu bezeichnende Plan nicht umgesetzt werden, auch wenn US-Finanzminister Geithner den Europäern in den Ohren liegt, ja fast schon bettelt.
Frankreich steht kurz davor, sein Top-Rating AAA zu verlieren, womit den verschiedenen Euro-Rettungsschirmen ein gewichtiger Zahlerstaat abhanden kommen würde. Ob in einem solchen Fall des AAA-Verlusts davon ausgegangen werden kann, dass die jeweiligen Länder auch dann für den Notfall in anderen Euro-Ländern bereitstehen würden, wenn sie selbst Finanzierungsschwierigkeiten haben, darf bezweifelt werden. Zumindest dürfte der Unmut, für ein einzelnes oder mehrere andere Euro-Länder und deren Schulden gerade stehen zu müssen, in den jeweiligen Zahlerstaaten seitens der Bevölkerung durchaus groß sein. Deutschland hat sich übrigens gerade von der Ratingagentur S&P anhören dürfen, dass eine Ausweitung der EFSF auch Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik hätte.

Die "alternativlosen" Rettungen waren nie alternativlos, sie wurden nur von Politikern durchgeführt, denen der Erhalt des Status quo über alles geht, auch und gerade über die eigene Bevölkerung. 2011 ist eine völlig andere Situation als noch 2008, eben weil Staaten wanken, eben weil immer mehr Menschen verstanden haben, dass das Weltwirtschaftswachstum zu einem guten Teil aus heißer Luft produziert wird und weil die Legitimation durch das Volk hüben wie drüben eher nicht als gegeben zu betrachten ist.
Auch wenn uns die gleichen Birnen den selben Mist erneut erzählen und darauf hoffen, dass der Dummbatz vor der Glotze dies nicht mitbekommt. Mal sehen, ob diese Hoffnung berechtigt ist...

Freitag, 23. September 2011

Das Börsen-Blutbad

Die Tanzeinlage von Ben Bernanke hat dem Weltfinanzsystem nicht den erhofften Kick nach oben verliehen. Die Junkies an Finanzplätzen verlangen nach größeren Spritzen, ein lumpiger Anleihentausch, der mit "Operation Twist" eingeleitet wurde, reicht da schon längst nicht mehr aus. Die Herde der "Finanzexperten" verfährt in dieser nicht alltäglichen Situation dennoch stur nach Schema F.

400 Milliarden US-Dollar will Bernanke durch das Abstoßen kurzfristiger Anleihen einnehmen. Dieses Geld soll zum Ankauf langlaufender Staatsanleihen genutzt werden, wodurch die Zinsen auf diese sinken würden. Davon erhoffte sich der Fed-Chef eine belebende Wirkung auf die US-Wirtschaft und auf die Finanzplätze dieser Welt. Deren Akteure indes hatten sich mehr versprochen, nicht wenige dürften insgeheim auf ein neues Programm der "quanitativen Lockerung" gehofft haben. Hinter diesem technischen Begriff verbirgt sich nichts anderes, als das Anwerfen der Druckerpressen. Da der Werkzeugkoffer von Heli-Ben aber leer ist, versuchte er mit der "Operation Twist" das zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Folglich schlug dieser Plan fehl, die Börsen kennen seit den Einlassungen von Bernanke nur noch eine Richtung, nämlich die südliche.

Die Finanzwerte des Westens stehen ja bereits seit Wochen unter heftigem Verkaufs-Beschuss. Aber selbst wenn man denkt, dass es nicht viel weiter nach unten gehen könnte, verlieren die Großbanken nochmal 4-5 Prozent und strafen die hoffnungsvollen Optimisten, die bei jeder Seitwärtsbewegung der Charts eine Bodenbildung ausgemacht haben wollen, Lügen. Nach der Ankündigung Bernankes wird der Verkaufsdruck auch auf Rohstoffe aller Art zusehends größer, Erdöl, Silber und Gold kamen die vergangenen zwei Tage ebenfalls unter die Räder. Die Herde der "Finanzexperten" macht das, was sie immer macht, wenn die Alarmsysteme des Weltfinanzsystems dichten Qualm aus dem Motorraum melden: Sie versuchen alles zu Cash zu machen und rennen in vermeintlich sichere Staatsanleihen ausgewählter Länder, unter ihnen auch Deutschland.

Die Probleme der europäischen Großbanken scheinen auch nicht durch die Öffnung der Dollar-Schleusen der Zentralbanken behoben werden zu können. Sobald die erste Bank fällt, dürfte das auf Schuldgeld basierende Kartenhaus Weltfinanzsystem wenigstens in Teilen erneut zusammenbrechen, ähnlich wie im Jahr 2008. Der Unterschied zwischen heute und damals besteht darin, dass nunmehr niemand mehr da ist, der die jeweilige Bank retten könnte bzw. wollte. Die Staaten als Kreditgeber der letzten Zuflucht haben sich bereits mit Billionen vollgesogen und einige von ihnen stehen ebenfalls am Rande der Insolvenz, allen voran natürlich Griechenland, Italien, Spanien und die anderen üblichen Verdächtigen.

Bloß gut, dass zunächst ein Wochenende ansteht: Die Börsen haben zu, der Papst ist in Deutschland und Fußball läuft auch. Zeit zum Abschalten ist also vorhanden. Davon dürften die Lenker und Macher des Finanzsystems wenig mitbekommen, auf sie wartet erneut ein arbeitsreiches Wochenende, an dem sie nun versuchen müssen, den Laden am Laufen zu halten. Lediglich das Wie dürfte noch nicht feststehen, überhaupt gehen dem System die Alternativen aus. Allen Rettungsversuchen zum Trotz stagniert die US-Wirtschaft, auch aus China kommen wenig freudig stimmende Nachrichten und die EU ist momentan ohnehin am meisten mit sich selbst beschäftigt. Wir dürfen gespannt sein, was sich die Damen und Herren am Wochenende ausdenken, immerhin trifft sich die G20, der IWF und die Weltbank. Genug Gelegenheiten also, um das Weltfinanzsystem endgültig zu retten. Oder wenigstens für ein paar Wochen...

Sonntag, 18. September 2011

Schwarz-rote Planspiele vs. rot-grüne Regierung

Während sich die FDP zu einer nationalliberalen Partei entwickelt, loten Unionspolitiker ein Bündnis mit den Sozialdemokraten aus. Der Wunsch nach Kontinuität ist groß, nachdem zum Ende der vergangenen Woche die weltgrößten Zentralbanken die westlichen Politiker in helle Aufregung versetzten und abermals die Geldschleusen öffneten. Die Sozialdemokraten fordern ihrerseits Neuwahlen, es kommt für sie nicht in Betracht, erneut der Juniorpartner von Merkel zu sein.

Wirtschaftsminister Rösler (FDP) muss zusehends um den Rückhalt in seiner Partei fürchten. Es ist abzusehen, dass Teile der FDP der geplanten Aufstockung des aktuellen EU-Rettungsschirms EFSF nicht zustimmen werden. Was für Merkel hochnotpeinlich werden könnte, immerhin steht die prestigeträchtige Kanzlermehrheit zur Disposition, ist für die FDP die scheinbar einzige Möglichkeit, endlich mal wieder bei den Wählern zu punkten. Ob ihnen dies bereits bei der heutigen Wahl in Berlin gelingen wird, darf bezweifelt werden. Ein erneuter Rauswurf aus einem Landesparlament dürfte dieses Mal auch an Rösler kleben bleiben, da er versuchte, kurz vor der Wahl mit einer Kursänderung die Wähler auf seine Seite zu ziehen.

Auch wenn es der FDP bei der heutigen Wahl nicht gelingen sollte, die Fünf-Prozent-Marke zu überspringen, so ist die Absatzbewegung dennoch geeignet, künftig wieder mehr Leute dazu zu bewegen, ihr Kreuz bei der FDP zu machen. Viele Bundesbürger attestieren Merkel ein schlechtes Krisen-Management, die Mehrheit ist überdies gegen weitere Hilfen für die Euro-Krisenländer Griechenland und Co.
Der Coup könnte insofern klappen, als die FDP ihr Fähnchen in einen für sie günstigen Wind gehangen hat. Halten die Liberalen allerdings an ihrer Linie fest, so müssten sie sich auch auf den Verlust ihrer Regierungsbeteiligung einstellen.

Kanzlerin Merkel (CDU), ganz Machtmensch, sondiert bereits Möglichkeiten mit dem sozialdemokratischen Flügel ihrer Einheits-Partei, der SPD. Diese jedoch weiden sich momentan zusammen mit den Grünen in guten Umfragewerten und Wahlergebnissen. Es besteht folglich kaum ein Interesse daran, dass die Sozis als Juniorpartner in eine "Koalition für Deutschland" einsteigen. Die Erfahrungen damit sind alles andere als gut, bei der letzten Großen Koalition zwischen 2005 und 2009 heimste vordergründig die Merkel-CDU die Lorbeeren für die massiven Banken-, Euro- und Wirtschaftsrettungen ein, während die SPD dafür abgestraft wurde, sich als "Staatsräson"-Partei zu gerieren.

So oder so wird die Luft für Merkel also dünner. Ein Angebot der SPD und Grünen lautet, in Europa-Fragen den Kurs von Merkel mitzutragen, bis Neuwahlen zum Bundestag einen Machtwechsel im politischen Berlin einleiten. Dieses rot-grüne Regierungsbündnis würde Deutschland und Europa sehr gerne mit Eurobonds beglücken, es ist ebenso unkritisch gegenüber der EU und dürfte noch mehr Steuergelder zu den ohnehin schon schwachsinnig hohen Garantien hinzufügen, um den Euro zu retten.

Beim alles beherrschenden Thema dieser Tage dürfte also auch ein etwaiger Regierungswechsel wenig Veränderungen herbeiführen, außer vielleicht, dass der Posten des Finanzministers von einem nicht ganz so harten Hund besetzt wird. Der amtierende Minister Schäuble jedenfalls hat in den letzten Monaten hart daran gearbeitet, sein Image als eiserner Kassenwart Deutschlands zu hegen und zu pflegen. Ob dies einem Trittin (Grüne) auch gelingt, ist ungewiss, auch weil die vermeintlich linken Parteien wesentlich besser im Geld ausgeben sind.

Die Planspiele in der Bundespolitik kommen zur Unzeit. Vor wenigen Tagen öffneten die weltgrößten Zentralbanken ihre Geldschleusen und beglückten die Großbanken mit unbegrenzter(!) Dollar-Liquidität. Damit dürfte der Zusammenbruch der großen europäischen Geldhäuser, allen voran der französischen, fürs Erste vom Tisch sein. Die Maschine zum Geldverdienen wurde wieder angeworfen, selbstredend auf Kosten der Bürger und Steuerzahler, die einerseits mit einer höheren Inflation konfrontiert werden und andererseits mit dem Umstand, dass das Geld, welches nun den Großbanken hinterhergeworfen wird, an anderer Stelle fehlt. Aber gut, Großbanken sind nunmal systemrelevant, während Bildung, Sozialversicherungen, Infrastruktur und andere Annehmlichkeiten des Westens hinten angestellt werden. Die Zentralbanken, die ihre Unabhängigkeit gegenüber der Politik immer mehr verlieren, wenn sie sie jemals gehabt haben sollten, vergessen dabei aber die Völker. Diese werden sich irgendwann die Frage stellen, ob sie ein derartiges System überhaupt wollen, in dem Geldhäuser gerettet werden, während immer breitere Bevölkerungsschichten verarmen.

Somit könnte sich der absehbare rot-grüne Wahlerfolg als Pyrrhussieg entpuppen. Es erscheint allerdings auch möglich, dass Griechenland als eine Art Bauernopfer die EU und die Euro-Zone verlässt. Das ewige Gequake, ein Austritt sei rechtlich nicht möglich, ist an Dummdreistigkeit kaum mehr zu überbieten. Selbstverständlich kann ein Land aus der EU und somit aus dem Euro austreten, Artikel 50 des EU-Vertrages regelt den freiwilligen Austritt aus der Union. Ein Rauswurf ist hingegen nicht möglich. Nun sind aber die Daumenschrauben, die Griechenland angelegt wurden, für hellenische Verhältnisse bereits bis zum Bersten gespannt. Die griechische Regierung sieht sich einem Volk gegenüber, welches die Sparmaßnahmen auf zunehmende Weise nicht mehr zu Tragen bereit ist. Da Griechenland auch medial im Fadenkreuz ist, könnte der Plan lauten, dass die Hellenen austreten und Merkel sich dafür anschließend feiern lassen könnte, weil die sparfaulen Griechen ja daran Schuld sind, dass die EU kleiner geworden ist.
Auch damit wäre aber lediglich Zeit gewonnen, da über weit mehr Länder der Pleitegeier kreist. Portugal, Irland, Spanien und Italien stehen schon in der Schlange, um von den Finanzmärkten "getestet" zu werden. Bei diesem Test dürfte beispielsweise die spanische Schuldenbremse, die ja in neun(!) Jahren eingeführt werden soll, nichts helfen.

Die Ablösung Merkels erscheint jedenfalls - um sich mal eines der Lieblingswörter unserer Kanzlerin zu bedienen - alternativlos. Ein Regierungswechsel allein macht aber noch keinen Politikwechsel. Ob nun mit oder ohne Merkel, der europäische Eiertanz wird mit ihrer Ablösung nicht aufhören...

Mittwoch, 14. September 2011

Rettungsmüde

Die Liberalen, die ja noch den kleineren Teil unserer amtierenden Regierung stellen, scheinen der Griechen überdrüssig zu sein. Der Vorstoß von Wirtschaftsminister Rösler, der eine geordnete Insolvenz der Hellenen ins Gespräch gebracht hatte, sorgte im Kanzlerbunker Merkels für helle Aufregung. In der gewohnten Manier rief die Kanzlerin den FDP-Chef zur Ordnung und verpasste ihm einen ihrer gefürchteten Maulkörbe.

Dieser hielt den netten Herrn Rösler allerdings nicht davon ab, zu seiner Aussage zu stehen und diese zu erneuern. Nun sollte man ja nicht immer zu viel hineininterpretieren, wenn es in einer Regierung mal Knatsch gibt. Angesichts der derzeitigen europäischen und weltpolitischen Lage und dem Umstand, dass Rösler die Richtlinie von Merkel, er möge seine Worte weiser abwägen, schlichtweg ignoriert hat, kann hier festgehalten werden, dass die Regierung Merkel an der Euro-Rettung zu zerbrechen droht.

Merkel, die auch hier auf WiSoPol zu Recht für ihre (Nicht-)Politik kritisiert wurde und wird, ist dieser Tage nicht zu beneiden. Wohin auch immer sie ihren Blick richtet, überall schlagen ihr Flammen entgegen. Ob nun die wackelige Merkel-Mehrheit bei der Ende September anstehenden Erweiterung der EFSF, bei dem sich abzeichnenden Nein der FDP-Basis hinsichtlich des permanenten Rettungsschirms ESM, der konjunkturellen Abkühlung in Deutschland und der Welt, schlechten Umfragewerten und Wahlniederlagen, der Uneinigkeit innerhalb Europas oder der eigenen Partei, in der immer mehr Leute die Faust in der Tasche ballen. Natürlich sind diese Probleme hausgemacht. Der zögernde Führungsstil Merkels, ihre Nicht-Einmischung in tagesaktuelle Diskussionen, wirkte für den unbedarften Rezipienten wie die Stärke einer Frau, die eine Politik der ruhigen Hand verfolgt. Es offenbarte sich bekanntermaßen, dass sich hinter der vermeintlichen Stärke eine Planlosigkeit der uns Regierenden verbarg. Hinter der liberalen Rettungsmüdigkeit könnte demnach auch die schlichte Erkenntnis stecken, dass die Führungsriege der CDU nicht führen kann, weder in Deutschland noch in Europa.

Über Monate wurden die Augen vor der Realität verschlossen, es musste alles und jeder gerettet werden, astronomische Kosten Hin oder Her. Die verfassungsrechtlichen Probleme wurden von den Richtern aus Karlsruhe, deren Berufung an das Verfassungsgericht im politischen Hinterzimmer ausgeküngelt wird, beiseite geschoben. Die Modeerscheinung der bundesdeutschen Politik, schwierige Sachlagen im Endeffekt in Karlsruhe entscheiden zu lassen, scheint ihren Zenit nun überschritten sich zu haben. Wenn mittlerweile selbst Kabinettsmitglieder die TINA*-Rettung Griechenlands in Frage stellen, zeigt dies doch, dass sich die Pfadfindertruppe Röslers ihrer Verantwortung für Deutschland und Europa bewusst geworden ist.

Es ist ein mutiger Schritt des FDP-Chefs, im derzeitigen Umfeld eine Absatzbewegung von der CDU zu vollziehen. Angesichts der katastrophalen Umfrage-Werte und Wahl-Ergebnisse der Liberalen müssten diese im Falle von Neuwahlen nicht etwa um ihre Regierungsbeteiligung bangen, sondern um den Einzug in das Parlament. Der Vorwurf, Politiker denken nur an ihre Posten, greift in diesem Falle nicht, eben deshalb ist der Schritt Röslers mutig. Darüber hinaus scheint Rösler die Zeichen der Zeit nun zu erkennen. Nicht nur die Liberalen sind rettungsmüde, die gesamte Repubik ist es. Selbst namentlich an dieser Stelle nicht zu nennende Lohnschreiber aus Hamburg knicken ein und verzichten auf ihre Pro-Euro-Propaganda. Die Kritik am Euro hat längst die Schmuddelecke der Verschwörungstheorien verlassen, sie ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Dass die rotgrünschwarze Blockpartei weiterhin das Europa-Lied anstimmt, zeigt nicht viel mehr, als dass sie nicht die Mitte der Gesellschaft repräsentiert, auch wenn sie sich dies immer wieder auf ihre Fahnen schreibt.

Seit sich die EZB dazu entschieden hat, ihr Ziel der Preisstabilität aufzugeben und stattdessen politisch motivierte Rettungsmanöver abhält, ist der deutsche Michel, so er nicht immer noch im Schlafland vor sich hinträumt, mit einer Zentralbank konfrontiert, die es den Völkern zumuten möchte, künftig für das exemplarische Stück Butter mehr zu bezahlen, nur damit Privatbanken auch weiterhin leistungslos ihre Vermögen mehren können.

Die Riege der Ökonomen, die die Lebenszeit des Euro mit wenigen Tagen, im besten Fall einigen Monaten, angeben, erfreut sich einem wachsendem Zustrom. Es ist mittlerweile aber auch nicht mehr der absolute Geheimtipp, dass der Schwelbrand im Gebälk der EU den gesamten Dachstuhl erfassen könnte und das europäische Haus bis auf sein Fundament, den Nationalstaaten, zu zerstören droht. Vor ein paar Monaten, als hier und auf anderen Seiten genau darüber geschrieben wurde, war dies noch anders.

Die Herabstufung der französischen Großbanken Societe Generale und Credit Agricole passt ins Bild der rettungsmüden Kerneuropäer. Übrigens dauerte es im Jahr 2008, als die US-Großbank Lehman Brothers ebenfalls herabgestuft wurde und schließlich unterging, ganze drei Tage, bis diese ihren Bankrott anmelden musste und einen Tsunami auf den Finanzmärkten auslöste. Bei den französischen Banken könnte es nun fünf Tage dauern. Nicht etwa weil die Bankhäuser besser aufgestellt sein würden, sondern weil ein Wochenende dazwischen kommt...

* TINA = There Is No Alternative

Dienstag, 13. September 2011

Samstag, 10. September 2011

Der Zusammenbruch der Euro-Zone...

... nimmt immer konkretere Formen an. Nachdem der EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark zurückgetreten ist, wird ein Euro-Austritt Griechenlands nun auch von den obersten Euro-Rettern erwogen. Währenddessen setzt die große Kapitalflucht aus europäischen Bankhäusern ein.

Der Rücktritt vom EZB-Chefvolkswirten Stark wurde dem Vernehmen nach bereits seit längerer Zeit erwogen. Hintergrund des Rücktritts sind weniger die "persönlichen Gründe", die kurz nach Bekanntwerden des Rückzugs kolportiert wurden, als viel mehr die Kritik an der momentanen Praxis der EZB, Staatsanleihen von krisengeschüttelten Ländern aufzukaufen. Bereits im Frühjahr war Axel Weber zurückgetreten, eben weil die EZB damals damit begonnen hatte, griechische Staatsanleihen aufzukaufen. Bereits damals soll Stark nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mit Rücktritts-Gedanken gespielt haben. Nachdem nun auch Staatsanleihen von Spanien und Italien aufgekauft wurden, wurde es Stark offenbar zu bunt. Die einstige EZB, die die Preisstabilität als einziges Ziel verfolgte, verliert mit dem Rückzug Starks einen weiteren ihrer Architekten. Der Süden Europas hat nun die Oberhand in der EZB und der Süden profitiert von der momentanen Praxis der Staatsanleihen-Aufkäufe, während der Norden Europas diese Aufkäufe bezahlen darf.

So ist es denn auch nicht verwunderlich, wenn unser allseits geschätzter "Spiegel" von Plänen im Bundesfinanzministerium berichtet, die eine Insolvenz Griechenlands durchspielen. Vor wenigen Wochen galten derartige Planspiele noch als Tabu, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Wäre die EU konsequent gewesen und hätte sie den Hellenen einen Austritt aus der Währungsunion von Beginn an schmackhaft gemacht, statt sinnlos Milliarden nach Athen zu überweisen, so hätte der nun wahrscheinliche Zusammenbruch verhindert werden können.

Stattdessen dürfen sich nun US-Bankhäuser freuen, wenn auch nur für kurze Zeit. Insgesamt 1,2 Billionen US-Dollar wurden seit dem 30. Juni 2011 aus Europa abgezogen und in das US-Bankensystem gepumpt. Die Liquiditätslücke, die die neue IWF-Chefin Lagarde neulich mit 200 Milliarden Euro angab und dafür viel Kritik erntete, dürfte angesichts der obigen Summe also eher die Spitze des Eisbergs sein.

Unterdessen fordert Merkel Geduld mit Griechenland. Geduld ist ja zunächst mal eine schöne Tugend, angesichts der Auslassungen des griechischen Finanzministers, nach denen das griechische BIP im laufenden Jahr nicht "nur" um 3,8 Prozent sinken wird, sondern um mehr als fünf Prozent, wirkt die Aussage unserer Kanzlerin allerdings ähnlich grotesk, wie das neue Konjunkturpaket von US-Präsident Obama. Der will ja 450 Milliarden US-Dollar im notorisch klammen US-Staatshaushalt gefunden haben und erwartet allen Ernstes, dass ihm die Weltöffentlichkeit einen derartigen Schwachsinn abkauft.

Den Wettlauf der Währungen scheint nach jetzigem Erkenntnisstand der Euro zu "gewinnen". Auch den Schweizer Franken dürfte es zerreißen, nachdem die SNB ja neuerdings auf eine Kopplung mit dem Euro setzt und so jeden Tag Milliarden in die Märkte pumpen muss.

Wie lange sich der Zusammenbruch noch verhindern lässt, ist ungewiss, eine Glaskugel besitzt WiSoPol.de schließlich nicht. Aber die Zeichen verdichten sich zusehends, dass der Bundestag gar nicht mehr über etwaige Erweiterungen und Aufstockungen der EFSF abstimmen muss. So entgeht Merkel einer möglichen Abstimmungsschlappe. Also hätte der Zusammenbruch der Euro-Zone ja fast doch noch etwas Gutes...

Quellen: 1 2 3

Mittwoch, 7. September 2011

WiSoPol: Externer Artikel

Die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank, den Franken künftig an den Euro zu koppeln, wird hier bestaunt.

Die gar nicht eidgenössische SNB

Samstag, 3. September 2011

Nachtigall, ick hör dir trapsen!

Ein Indikator der Federal Reserve von St. Louis kündigt eine noch schlimmere Krise als im Jahr 2008 an, als die Großbank Lehman Brothers bankrott ging. Die "Reserven" der Banken in US-Dollar haben sich seit Jahresbeginn verdoppelt, insbesondere im Juli ging es nach oben, nachdem sich die Euro-Krise auch auf die "too big to bail"-Länder Spanien und Italien ausbreitete. Kollabiert der Interbankenmarkt?



Die obige Grafik zeigt, dass amtliche Stellen und Zentralbanken auf massive Art und Weise ihre Reserven bei der Zentralbank der USA, der Federal Reserve, parken und sicher verwahren wollen. Dies geschieht immer dann, wenn das Vertrauen in die Stabilität der Privatbanken abnimmt und wenn diese Privatbanken sich untereinander weniger vertrauen. Was ist die Folge dieses schwindenen Vertrauens?
Nun, es dürfte - in Analogie zum Jahr 2008 - zu einem Zusammenbruch des Interbankenmarkts kommen. Dieser Zusammenbruch kündigt sich bereits seit längerem an und scheint nun mehr und mehr zur Realität zu werden. Wenn der Interbankenmarkt zusammenbricht, leihen sich die Banken untereinander kein Geld mehr, eben weil sie nicht wissen, wie es um diejenige Bank, der sie Geld verleihen, bestellt ist und ob sie ihren Kredit wiederbekommen. Nun ist aber gerade jener Interbankenmarkt für die Funktionsfähigkeit unseres Weltfinanzsystems essentiell, um nicht das böse Wort der Systemrelevanz zu gebrauchen.

Sollte der Interbankenmarkt tatsächlich austrocknen, dann dürfte dies dazu beitragen, dass wir künftig ein paar Großbanken weniger auf diesem Planeten haben. Nun ist dies ja zunächst einmal zu begrüßen, dennoch wären aufgrund der undurchschaubaren Verflechtungen zwischen den Banken sehr viele Geldhäuser vom Bankrott einer Großbank betroffen. Anders als 2008 scheint das Epizentrum dieses Mal in Europa zu liegen und nicht in den USA. Das sinkende Vertrauen in die europäischen Banken erhöht die Reserven der Federal Reserve. Erstaunlich daran ist, dass es in den Köpfen so mancher Banker anscheinend nur die Wahl zwischen Euro und US-Dollar gibt. Was aber, wenn beide Währungen im Begriff sind zu kollabieren, so wie sich dies momentan ankündigt? Es wird gerade so getan, als wäre die Wahl zwischen Pest und Cholera tatsächlich eine, jedoch ist das Ergebnis beider Dinge in etwa gleich...

Wenn man mal eine Bilanz der letzten Monate ziehen würde, so käme man darauf, dass der US-Dollar oder die US-Zentralbank mitnichten auch nur einen Yokto vertrauenswürdiger sind als die EZB oder der Euro. Die Unterschiede bestehen lediglich darin, dass der US-Dollar wegen der jahrzehntelangen Schuldenpolitik der USA im Arsch ist, während der Euro Zeit seiner Einführung nie aus selbigem herauskam. Das Pendeln zwischen Euro und US-Dollar verlängert lediglich das Siechtum des Finanzsystems, eine Genesung kommt so nicht in Gang.

Zurück zu den europäischen Banken. Die berüchtigten Kreditausfallversicherungen oder Credit default swaps (CDS) für europäische Banken sind bereits sehr hoch und deuten somit ebenfalls an, dass etwas mächtig faul ist. Die Gerüchte um die französische Großbank Societe General ließen deren Kurs neulich schon kräftig purzeln, wobei dies in dem damaligen Marktumfeld auch durchaus zu erwarten war. Die große Frage wird sein, welche Bank die EU nicht retten kann oder will, bei welcher Bank ein ähnliches Exempel statutiert werden soll wie damals bei Lehman. Nach endlos scheinenden Überweisungen nach Athen, Dublin und Lissabon sieht es fast so aus, als müsse nun mal eine Bank über die Klinge springen, wenn man sich schon nicht traut, Griechenland in die geordnete Insolvenz zu schicken und den Hellenen ihre Drachme wiederzugeben. Aber auch das könnte ja noch kommen, nachdem die Troika am Freitag wutentbrannt aus Athen abgereist ist. Die griechische Regierung hatte den Vertretern von IWF, EZB und EU nämlich mitgeteilt, dass sie keine weiteren Sparanstrengungen unternehmen wollen. Bevor hier jetzt wieder die Mistgabel herausgeholt und auf die faulen Griechen geschimpft wird, sollte man sich die Einsparungen, die Griechenland in den letzten Monaten durchgeführt hat, vor Augen führen. Wenn man dies tut, verflüchtigt sich auch der Zorn, der uns von Bild und Co. eingeimpft wird.

Alles im Eimer? Noch lange nicht. Wie oft der Untergang des US-Dollar oder des Euro in den vergangenen Monaten schon ausgerufen wurde, weiß ich nicht mehr. Beide Währungen gibt es noch immer, was uns zeigt, dass sie wesentlich widerstandsfähiger sind, als sich so manche Leute (u.a. meine Wenigkeit...) vorstellen konnten. Die Problematik besteht darin, dass beide Währungen kurz- und mittelfristig keine erneute Krise verdauen könnten. Der allerletzte Kreditgeber, die Staaten, haben bereits 2008ff. alles reingeworfen, was sie haben, sind sozusagen all-in gegangen. Einen neuerlichen Schock, wie er sich gerade ankündigt, könnte niemand mehr auffangen. Sicher, die Chinesen stützen beide Währungen und verlagern ihr Engagement zusehends in den alten Kontinent. Wer den Chinesen allerdings Dummheit unterstellt oder damit rechnet, sie würden tote Pferde reiten, der irrt sich. Abgesehen davon ist es um China nun auch nicht unbedingt rosig bestellt, zumindest wenn man die Inflation insbesondere der Nahrungsmittel betrachtet und andere Kleinigkeiten, wie den chinesischen Immobilienmarkt.
Aber besser ist es seit 2008 jedenfalls nicht geworden, von der kurzen konjunkturellen Erholung einmal abgesehen, die ohnehin nur deswegen zu Stande kam, weil rund um den Globus Billionen in die Hand genommen wurden...