Samstag, 21. Mai 2011

Eine Frage des Vertrauens

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zittert. Sie zittert um ihre Mehrheit im Bundestag, die im Herbst 2011 eigentlich geschlossen hinter dem Kurs Merkels stehen müsste, wenn es zur Abstimmung für den permanenten Euro-Rettungsfonds kommt. Die Zeiten, in denen der deutsche Michel bedingungslos für die europäische Integration war, sind vorbei.

Es setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass das deutsche Staatssäckel nicht für die Eskapaden der Groß-Banken herhalten soll. Wir erinnern uns: Die exorbitante Verschuldung Griechenlands, Portugals und Irlands wurde durch Milliarden-Kredite der Banken ermöglicht. Natürlich trägt die Politik ebenfalls Anteil an der Verschuldungs-Krise, immerhin ließ sie die Banken bei der Kredit-Vergabe gewähren. Es wäre allerdings falsch, die Schuld allein bei der Politik zu suchen.

Derjenige, der Geld verleiht, muss immer auch damit rechnen, es nicht zurück zu bekommen. Eben dafür existiert der Zinssatz, der, trotz berechtigter Kritik, eine Rückzahlung der Schuld beschleunigen soll. Die ach so große Gefahr, der an die Wand gemalte Teufel, bei einem Schuldenschnitt für die betroffenen Länder würde es uns ganz ganz schlecht gehen, ist eine Fata Morgana. Nicht uns ginge es schlecht, sondern der Finanzindustrie. Nicht wir müssten die Zeche zahlen, sondern die Banken.

Mit dem Rettungsfonds soll - wie so oft - die Schuld sozialisiert werden. Wo kämen wir denn dahin, wenn die Banken ihre Verluste selbst tragen würden? Nein nein, so geht das nicht, immerhin haben wir ja ein sozialistisches Finanzsystem. Natürlich nur, was die Schulden angeht. Bei den Gewinnen sind wir dann wieder - in guter kapitalistischer Tradition - davon überzeugt, dass diese in die privaten Hände fließen sollten. Wir müssen uns entscheiden: Entweder die Banken bluten für ihre faulen Kredite, dürfen dafür aber auch die Gewinne einstreichen oder aber wir sozialisieren Schulden und Gewinne.

Der Euro-Rettungsfonds manifestiert aber das bisherige System: Die Schulden bezahlen die Volkswirtschaften, die Gewinne streicht die private Finanzwirtschaft ein. Die freiheitsliebenden Liberalen, die momentan noch die Häme und den Spott der gesamten Regierungskoalition auf sich nehmen, riechen so langsam den Braten. Überdies hat die FDP wenig zu verlieren: Viel weniger als die 3-4 Prozent, die sie momentan vom Wahlvolk erhalten würden, können sie nicht mehr bekommen. Insofern ist der Vorstoß, dass einige Liberale den Rettungsfonds ablehnen wollen, folgerichtig. Die Regierung Merkel verfügt über eine eigentlich komfortable Mehrheit von 21 Stimmen im Bundestag. Bereits jetzt kündigen aber 30 bis 40 Abgeordnete an, dem Rettungsfonds eine Absage zu erteilen, auch aus der CDU und CSU.

Was bleibt Merkel übrig? Sie hat die Möglichkeit, ihr politisches Dasein mit der Zustimmung zum Euro-Rettungfonds zu verbinden. Nach Artikel 68 des Grundgesetzes kann sie den Bundestag auffordern, ihr das Vertrauen auszusprechen. Dies ist ein gewichtiges Disziplinierungsinstrument für einen Kanzler. Gerhard Schröder stellte im Jahr 2001 die V-Frage, als er die Zustimmung seiner Koalition für den Afghanistan-Krieg als nicht gesichert ansah. Damals hätten zwar die Kriegstreiber im Bundestag eine klare Mehrheit erhalten, da CDU/CSU und FDP Ja zum Krieg gesagt hätten, Schröder wollte jedoch auch, dass seine Regierungstruppen für den Krieg stimmen.

Ganz ähnlich dürfte es nun Merkel gehen. Es existiert allerdings ein wichtiger Unterschied: Während Schröder damals gerade drei Jahre im Amt war und nach 16 Jahren die Birne als Kanzler abgelöst hatte, sind die Zustimmungswerte für Merkel, vor allem in der eigenen Partei, an einem erneuten Tiefpunkt angelangt. Die vielen verlorenen Landtagswahlen, die Erkenntnis, dass Merkel von ihrer Richtlinienkompetenz (vgl. Art. 65 GG) kaum Gebrauch macht und dementsprechend nicht führt, hat sich mittlerweile auch innerhalb der CDU herumgesprochen.

Verliert Merkel die V-Frage, würde es Neuwahlen geben. Eine vorübergehende Lähmung des politischen Berlins und eine Wahl, die die CDU nur verlieren kann, wäre die Folge. Nach heutigem Dafürhalten würden wir dann wohl den ersten grünen Kanzler erleben, eigentlich kann nur Cem Özdemir dafür infrage kommen, immerhin war er erst neulich auf einer Bilderberg-Konferenz.

Gewinnt Merkel wider erwarten die V-Frage, hätte sie auch ihren letzten Joker verspielt. Die Verquickung der eigenen Kanzlerschaft mit einer Entscheidung des Bundestages nutzt sich ab, die aufgebaute Drohkulisse, bei einem Entzug des Vertrauens nicht länger in der Regierung zu sitzen, sondern auf die harte Oppositionsbank zurückzukehren, wirkt nur ein mal.

Viel besser wäre jedoch, wenn sich die SPD einmal mehr selbst verrät und für die notwendige Mehrheit des Euro-Rettungsfonds sorgt, da so viel offensichtlicher werden würde, dass es lediglich marginale Unterschiede zwischen CDU und SPD gibt. Pattex-Merkel, sie klebt an ihrer Macht, könnte aber noch etwas anderes machen: Eine Große Koalition anzustreben, würde ihr die notwendige Stabilität verleihen, um bis 2013, dem vorgesehenen Zeitpunkt für die Bundestags-Wahl, durchzuhalten. Anschließend könnte sie eine schwarz-grüne Koalition schmieden.

Es ist also nicht nur eine Frage des Vertrauens, sondern auch der Arithmetik...

1 Kommentar:

  1. Den Tag möchte ich erleben, wo der Steuerzahler mal nicht für die Fehler der Grosskonzerne herhalten muss! Wenn man sich überlegt, dass wir die negativen Bilanzen der Banken ausgleichen, diese aber nach Ihrer Genesung sich die dicken Profite wieder einstreichen dürfen - wird einem doch wirlich übel!

    Doch unterm Strich bleibt bei mir nur die Erkenntnis, dass dieses ganze Hin- und Hergeschiebe der Schulden und Zahlen sowieso sinnlos ist - man kann keinen Saft mehr aus Rosinen quetschen.
    "Rettungspakete" welche auch nur aus Geld bestehen welches nicht existent und quasi wertlos ist werden daran nichts ändern!

    Also mein Vertrauen ist schon lange weg.

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