Donnerstag, 29. September 2011

WiSoPol: Externer Artikel auf TheIntelligence

EFSF-Abstimmung: Die parlamentarische Farce

Viel Spaß beim Lesen!

Dienstag, 27. September 2011

Wie aus einem Euro acht werden...

Die Zweckgesellschaft EFSF soll eine neue Zweckgesellschaft mit Kapital ausstatten, damit diese neue Zweckgesellschaft Staatsanleihen europäischer Länder direkt von diesen kaufen kann. Weiterhin darf die neue Zweckgesellschaft eigene Anleihen ausgeben und diese bei der EZB hinterlegen. Obendrauf gibt es noch eine Banklizenz. Die Europäer leben den amerikanischen Traum...

Der neueste Vorschlag aus Übersee, der laut dem US-Fernsehsender "CNBC" schon konkrete Formen angenommen hat, reiht sich ein in die Reihe der verzweifelten Versuche der Politiker, der Krise Herr zu werden. US-Finanzminister Geithner hatte schon am Wochenende auf der IWF-Tagung angemahnt, dass die Europäer mehr tun müssten, auch US-Präsident Obama kritisierte die Zögerlichkeit der Europäer. Nun soll es also eine neue Zweckgesellschaft richten, die von der alten Zweckgesellschaft, der EFSF, mit Kapital ausgestattet werden soll.

Anders als die EFSF soll diese nicht nur am Kapitalmarkt Staatsanleihen maroder europäischer Länder kaufen können, sondern auch direkt von den jeweiligen Ländern. Damit umgeht man den lästigen Markt und rückt näher zusammen, die befürchtete Schuldenunion wird konkret. Die EZB, die entgegen der eigenen Statuten momentan Staatsanleihen der Euro-Länder aufkauft, würde dadurch dem Vernehmen nach entlastet werden.

Die neue Zweckgesellschaft kann aber noch viel mehr: Sie darf beispielsweise eigene Anleihen ausgeben. Die Staatsanleihen Griechenlands und der anderen PIIGS-Staaten werden im Sinne des Outsourcing von der EZB weg- und zur Zweckgesellschaft hingeleitet. Diese Zweckgesellschaft könnte dann, weil sie ja so solvent ist, eigene Anleihen bei der EZB hinterlegen und sich bei dieser frisches Kapital besorgen, ergo eine Art Banklizenz erhalten.

Was bringt dieses neuerliche Vabanquespiel? Ziel ist es laut CNBC, dass diese neue Zweckgesellschaft Fremdkapital auftreibt, um so eine Hebelwirkung auf die vorhandenen Euro, die diese Zweckgesellschaft von der anderen Zweckgesellschaft EFSF erhält, zu ermöglichen. Im Raum steht, dass aus einem eingezahlten Euro bis zu acht Euro werden können. Dadurch verspricht man sich jenseits des Atlantiks eine bessere Ausstattung der immer neuen Rettungsschirme und Zweckgesellschaften.

Selbstredend dementiert Finanzminister Schäuble (CDU) derzeit noch vehement derartige Pläne. Nicht etwa, weil er sie tatsächlich nicht umsetzen wollte. Am Donnerstag steht aber noch eine lästige, weil rest-demokratische, Abstimmung im deutschen Bundestag an. Bei dieser geht es nicht um diese Pläne, sondern zunächst einmal um eine Ausweitung der EFSF und ein paar Milliarden mehr. Die FDP kritisierte, dass wenige Tage vor der Abstimmung über die EFSF-Ausweitung schon wieder gänzlich neue und tiefgreifendere Pläne auf den Tisch kommen. Eilig ließ Schäuble durchblicken, dass er von derartigen Plänen natürlich überhaupt nichts hielte.

Die Süchtigen an der deutschen Börse kümmern sich um derartige Aussagen herzlich wenig: Ein Kursanstieg von mehr als drei Prozent beim DAX am Dienstag zeugt davon. Die zuletzt arg gebeutelten Finanzwerte gewannen ebenfalls kräftig. Es stellen sich also zwei Fragen: Wer ist in Europa Koch und wer ist Kellner? Sicher, das uns die Amis reinreden, ist jetzt nichts soooo Neues. Lediglich die Vehemenz, mit der diese ihre Pläne zur Rettung des alten Kontinents vortragen, überrascht etwas. Immerhin könnte man ja auch zu dem Schluss kommen, dass die USA vor der eigenen Haustür genügend Probleme hat, beispielsweise eine hohe Arbeitslosigkeit, ein gelähmtes politisches System oder ein Millionen-Heer von Menschen, die auf Lebensmittelmarken angewiesen sind.
Die andere Frage, die sich stellt, ist, ob man Schäuble Glauben schenken darf, wenn er die oben vorgestellten Pläne ablehnt bzw. ob diese Ablehnung auch nach Donnerstag noch Bestand hat, wenn die EFSF-Erweiterung durch den Bundestag gepeitscht wird, selbstredend mit freundlicher Unterstützung von SPD und Grünen.

Zunächst dürfen wir uns aber auf die Abstimmung am Donnerstag freuen. Ob der Auftritt Merkels beim Talkmaster der Nation die eigenen Reihen tatsächlich geschlossen hat und ob es folglich zu einer Kanzlerinnen-Mehrheit reicht, ist bis zuletzt ungewiss. Wahrscheinlich reicht es knapp für Merkel, die Abgeordneten lassen sich bestimmt irgendwie einlullen, von den Skeptikern, die im Vorfeld bereits ihr Nein angekündigt haben, einmal abgesehen. Die vielen Unentschlossenen wird die Fraktion schon auf Linie bringen. Damit stünde einem weiteren Akt im europäischen Drama nichts mehr im Wege.

Montag, 26. September 2011

2011 vs. 2008

Mit alten Rezepten auf neue Probleme zu reagieren, war noch nie ein probates Mittel. Was 2008 noch funktionierte, ist nun obsolet. Ob nun die wimmernden Aufrufe an die Staaten, erneut einige Milliarden oder Billionen in die Hand zu nehmen oder der Abverkauf des Papiergoldes: Die alten Rezepte entfalten keine Wirkung mehr.

Was ist am Wochenende und heute nicht alles geschrieben worden. Die Blase am Gold- und Silbermarkt wäre geplatzt, der Traum der ewig steigenden Kurse ausgeträumt und überhaupt habe ja eigentlich jeder gewusst, dass die Edelmetalle keine Gewinne abwerfen würden. Natürlich ist eine Blase geplatzt, nur eben nicht bei den physischen Edelmetallen. Während die Papiergold-Kurse heute erneute Verluste einfuhren, berichten viele Edelmetall-Händler vom umsatzstärksten Tag seit 2008. Die einschlägigen Webseiten sind nur schlecht oder gar nicht zu erreichen, vor den Edelmetall-Händlern bilden sich zuweilen Schlangen, die eine mehrstündige Wartezeit verheißen. Während in 2008 noch alle Welt in Staatsanleihen flüchtete, weil diese schießlich "sicher" seien, scheint dieses Mal mit des Volkes Füßen über die Zukunft abgestimmt zu werden.
Währenddessen stiegen heute die Aktienkurse und der geneigte Beobachter fragt sich zu Recht: Warum stiegen die Kurse eigentlich?

Als im Jahr 2008 Lehman Bankrott ging, sanken die Papiergold-Kurse ebenfalls. Die Hintergründe des damaligen und heutigen Kursverfalls sind Gegenstand der Spekulation über Kartelle, dubiosen Hintermännern und anderen Gestalten und sollen dementsprechend an dieser Stelle nicht besprochen werden. Viel eher stehen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Jahre 2008 und 2011 im Vordergrund. Damals wurden nicht wenige aus ihrem Tiefschlaf geweckt, viele Menschen machten sich ihre Gedanken um das Weltfinanzsystem. Die wenigsten von ihnen sind seit diesem Zeitpunkt der Ansicht, dass unser derzeitiges Papiergeld-System, in dem "Geld" durch nichts gedeckt ist und dementsprechend mit einem Mausklick erschaffen werden kann, der Weisheit letzter Schluss ist. Viel eher begriffen die Menschen, dass etwas nicht stimmt.

Dieses diffuse Gefühl veranlasste Menschen dazu, sich tiefergehend mit dem heute vorherrschenden Finanzmarkt-Kapitalismus zu beschäftigen. Sie erfuhren, dass das "Wachstum", welches angloamerikanische Großbanken erwirtschafteten, nicht viel mehr war, als ein riesiges Schneeball-System, in dem der verliert, der zum Ende der Musik die Scheiße, die er in seinen Händen hielt, nicht einem anderen Doofen angedreht hatte.

2008 begnügten sich auch Viele damit, dass Milliarden und Billionen zur Rettung eines Systems aufgewendet wurden, welches die Meisten gar nicht verstanden hatten. Ferner unterstützten sie diese Rettungsversuche der Nationalstaaten auch noch, immerhin ging es ums System. Drei Jahre später zeigt sich nun, dass diese Unterstützung bröckelt. Auch wird die Frage, wie viel Rettungen und wie viele Milliarden denn noch notwendig seien, um das (nicht zu rettende) System zu schützen, offen gestellt.

Der Gipsnacken Deutschlands jedenfalls zeigte sich am Sonntag in einer Fernsehsendung betont resolut. Der hohle Hosenanzug verdingte sich die Zeit mit einem netten Plausch und mit einem noch viel netteren Fragensteller. Beruhigung war das oberste Gebot der Stunde. Da verkam der Umstand, dass sich der Gast selbst eingeladen hatte, fast zur Randnotiz.

Im Gegensatz zu 2008ff. scheinen derartige Bemühungen in diesem Jahr von wenig Erfolg gekrönt zu sein. Die legendäre Versicherung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verhinderte einen Banken-Run, wie beide heute freimütig zugeben. Er sei zwar rechtlich nicht unbedingt einwandfrei gewesen, aber immerhin habe er seine Wirkung nicht verfehlt. Diese Politik der verbrannten Erde verdeutlicht, wie schlimm es bereits damals um das System, was wir angeblich alle irgendwie unterstützen, stand. Der Köder von damals lockt heute niemanden mehr. Er ist zur erneuten Verwendung nicht geeignet.

Die Missachtung von grundsätzlichen Marktprinzipien, die sich Großbanken und Politiker gleichermaßen auf ihre jeweiligen Fahnen schreiben, zeigt doch vor allem, dass wir im Bezug auf Geldhäuser nicht mehr von einer Marktwirtschaft sprechen können. Das Risiko, einen Totalverlust mit seiner Unternehmung zu erleiden, gemeinhin auch als unternehmerisches Risiko bezeichnet, existiert nicht mehr, seit die Floskel "too big to fail" aufgekommen ist. Die Politik erteilt den mächtigen Finanzinstituten eine Absolution und die Völker feiern dies auch noch als gelungenen Coup. Dieses Verhalten erinnert an jenes von Sklaven, die sich darüber freuen, dass der Besitzer einen größere Profit eingefahren hat, unwissend, dass der größere Profit von heute das Minimum von morgen ist.

Im Unterschied dazu drängen sich im Jahr 2011 wesentlichere Fragen auf. Beispielsweise die, warum Banken eigentlich nicht pleite gehen dürfen oder warum Politiker über Steuergelder, die noch nicht mal abgeführt wurden und in den nächsten Jahren auch nicht abgeführt werden, in Milliardenhöhe entscheiden können, um Geldhäuser zu retten. Das Verständnis für die Rettungsaktionen schwindet und damit auch das Verständnis für das System des Westens, was bestenfalls als korrumpierter Kapitalismus zu bezeichnen ist, im schlechtesten Fall als ein Diktat der Geldelite.

Überhaupt erscheinen die Ideen, die dieser Tage durch die Medien schwirren, als wenig tragfähig. Noch mal ein paar Billionen mehr, damit endlich Ruhe ist, wenn auch nur Friedhofs-Ruhe. Im Idealfall sollte man darüber nachdenken, den Euro-Rettungsschirm mit unbegrenzten Finanzmitteln auszustatten. Auch eine Möglichkeit, die eigenen politischen Handlungen als alternativlos in Stein zu meißeln. Indes wird dieser wirklich nur noch als lächerlich zu bezeichnende Plan nicht umgesetzt werden, auch wenn US-Finanzminister Geithner den Europäern in den Ohren liegt, ja fast schon bettelt.
Frankreich steht kurz davor, sein Top-Rating AAA zu verlieren, womit den verschiedenen Euro-Rettungsschirmen ein gewichtiger Zahlerstaat abhanden kommen würde. Ob in einem solchen Fall des AAA-Verlusts davon ausgegangen werden kann, dass die jeweiligen Länder auch dann für den Notfall in anderen Euro-Ländern bereitstehen würden, wenn sie selbst Finanzierungsschwierigkeiten haben, darf bezweifelt werden. Zumindest dürfte der Unmut, für ein einzelnes oder mehrere andere Euro-Länder und deren Schulden gerade stehen zu müssen, in den jeweiligen Zahlerstaaten seitens der Bevölkerung durchaus groß sein. Deutschland hat sich übrigens gerade von der Ratingagentur S&P anhören dürfen, dass eine Ausweitung der EFSF auch Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik hätte.

Die "alternativlosen" Rettungen waren nie alternativlos, sie wurden nur von Politikern durchgeführt, denen der Erhalt des Status quo über alles geht, auch und gerade über die eigene Bevölkerung. 2011 ist eine völlig andere Situation als noch 2008, eben weil Staaten wanken, eben weil immer mehr Menschen verstanden haben, dass das Weltwirtschaftswachstum zu einem guten Teil aus heißer Luft produziert wird und weil die Legitimation durch das Volk hüben wie drüben eher nicht als gegeben zu betrachten ist.
Auch wenn uns die gleichen Birnen den selben Mist erneut erzählen und darauf hoffen, dass der Dummbatz vor der Glotze dies nicht mitbekommt. Mal sehen, ob diese Hoffnung berechtigt ist...

Freitag, 23. September 2011

Das Börsen-Blutbad

Die Tanzeinlage von Ben Bernanke hat dem Weltfinanzsystem nicht den erhofften Kick nach oben verliehen. Die Junkies an Finanzplätzen verlangen nach größeren Spritzen, ein lumpiger Anleihentausch, der mit "Operation Twist" eingeleitet wurde, reicht da schon längst nicht mehr aus. Die Herde der "Finanzexperten" verfährt in dieser nicht alltäglichen Situation dennoch stur nach Schema F.

400 Milliarden US-Dollar will Bernanke durch das Abstoßen kurzfristiger Anleihen einnehmen. Dieses Geld soll zum Ankauf langlaufender Staatsanleihen genutzt werden, wodurch die Zinsen auf diese sinken würden. Davon erhoffte sich der Fed-Chef eine belebende Wirkung auf die US-Wirtschaft und auf die Finanzplätze dieser Welt. Deren Akteure indes hatten sich mehr versprochen, nicht wenige dürften insgeheim auf ein neues Programm der "quanitativen Lockerung" gehofft haben. Hinter diesem technischen Begriff verbirgt sich nichts anderes, als das Anwerfen der Druckerpressen. Da der Werkzeugkoffer von Heli-Ben aber leer ist, versuchte er mit der "Operation Twist" das zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Folglich schlug dieser Plan fehl, die Börsen kennen seit den Einlassungen von Bernanke nur noch eine Richtung, nämlich die südliche.

Die Finanzwerte des Westens stehen ja bereits seit Wochen unter heftigem Verkaufs-Beschuss. Aber selbst wenn man denkt, dass es nicht viel weiter nach unten gehen könnte, verlieren die Großbanken nochmal 4-5 Prozent und strafen die hoffnungsvollen Optimisten, die bei jeder Seitwärtsbewegung der Charts eine Bodenbildung ausgemacht haben wollen, Lügen. Nach der Ankündigung Bernankes wird der Verkaufsdruck auch auf Rohstoffe aller Art zusehends größer, Erdöl, Silber und Gold kamen die vergangenen zwei Tage ebenfalls unter die Räder. Die Herde der "Finanzexperten" macht das, was sie immer macht, wenn die Alarmsysteme des Weltfinanzsystems dichten Qualm aus dem Motorraum melden: Sie versuchen alles zu Cash zu machen und rennen in vermeintlich sichere Staatsanleihen ausgewählter Länder, unter ihnen auch Deutschland.

Die Probleme der europäischen Großbanken scheinen auch nicht durch die Öffnung der Dollar-Schleusen der Zentralbanken behoben werden zu können. Sobald die erste Bank fällt, dürfte das auf Schuldgeld basierende Kartenhaus Weltfinanzsystem wenigstens in Teilen erneut zusammenbrechen, ähnlich wie im Jahr 2008. Der Unterschied zwischen heute und damals besteht darin, dass nunmehr niemand mehr da ist, der die jeweilige Bank retten könnte bzw. wollte. Die Staaten als Kreditgeber der letzten Zuflucht haben sich bereits mit Billionen vollgesogen und einige von ihnen stehen ebenfalls am Rande der Insolvenz, allen voran natürlich Griechenland, Italien, Spanien und die anderen üblichen Verdächtigen.

Bloß gut, dass zunächst ein Wochenende ansteht: Die Börsen haben zu, der Papst ist in Deutschland und Fußball läuft auch. Zeit zum Abschalten ist also vorhanden. Davon dürften die Lenker und Macher des Finanzsystems wenig mitbekommen, auf sie wartet erneut ein arbeitsreiches Wochenende, an dem sie nun versuchen müssen, den Laden am Laufen zu halten. Lediglich das Wie dürfte noch nicht feststehen, überhaupt gehen dem System die Alternativen aus. Allen Rettungsversuchen zum Trotz stagniert die US-Wirtschaft, auch aus China kommen wenig freudig stimmende Nachrichten und die EU ist momentan ohnehin am meisten mit sich selbst beschäftigt. Wir dürfen gespannt sein, was sich die Damen und Herren am Wochenende ausdenken, immerhin trifft sich die G20, der IWF und die Weltbank. Genug Gelegenheiten also, um das Weltfinanzsystem endgültig zu retten. Oder wenigstens für ein paar Wochen...

Sonntag, 18. September 2011

Schwarz-rote Planspiele vs. rot-grüne Regierung

Während sich die FDP zu einer nationalliberalen Partei entwickelt, loten Unionspolitiker ein Bündnis mit den Sozialdemokraten aus. Der Wunsch nach Kontinuität ist groß, nachdem zum Ende der vergangenen Woche die weltgrößten Zentralbanken die westlichen Politiker in helle Aufregung versetzten und abermals die Geldschleusen öffneten. Die Sozialdemokraten fordern ihrerseits Neuwahlen, es kommt für sie nicht in Betracht, erneut der Juniorpartner von Merkel zu sein.

Wirtschaftsminister Rösler (FDP) muss zusehends um den Rückhalt in seiner Partei fürchten. Es ist abzusehen, dass Teile der FDP der geplanten Aufstockung des aktuellen EU-Rettungsschirms EFSF nicht zustimmen werden. Was für Merkel hochnotpeinlich werden könnte, immerhin steht die prestigeträchtige Kanzlermehrheit zur Disposition, ist für die FDP die scheinbar einzige Möglichkeit, endlich mal wieder bei den Wählern zu punkten. Ob ihnen dies bereits bei der heutigen Wahl in Berlin gelingen wird, darf bezweifelt werden. Ein erneuter Rauswurf aus einem Landesparlament dürfte dieses Mal auch an Rösler kleben bleiben, da er versuchte, kurz vor der Wahl mit einer Kursänderung die Wähler auf seine Seite zu ziehen.

Auch wenn es der FDP bei der heutigen Wahl nicht gelingen sollte, die Fünf-Prozent-Marke zu überspringen, so ist die Absatzbewegung dennoch geeignet, künftig wieder mehr Leute dazu zu bewegen, ihr Kreuz bei der FDP zu machen. Viele Bundesbürger attestieren Merkel ein schlechtes Krisen-Management, die Mehrheit ist überdies gegen weitere Hilfen für die Euro-Krisenländer Griechenland und Co.
Der Coup könnte insofern klappen, als die FDP ihr Fähnchen in einen für sie günstigen Wind gehangen hat. Halten die Liberalen allerdings an ihrer Linie fest, so müssten sie sich auch auf den Verlust ihrer Regierungsbeteiligung einstellen.

Kanzlerin Merkel (CDU), ganz Machtmensch, sondiert bereits Möglichkeiten mit dem sozialdemokratischen Flügel ihrer Einheits-Partei, der SPD. Diese jedoch weiden sich momentan zusammen mit den Grünen in guten Umfragewerten und Wahlergebnissen. Es besteht folglich kaum ein Interesse daran, dass die Sozis als Juniorpartner in eine "Koalition für Deutschland" einsteigen. Die Erfahrungen damit sind alles andere als gut, bei der letzten Großen Koalition zwischen 2005 und 2009 heimste vordergründig die Merkel-CDU die Lorbeeren für die massiven Banken-, Euro- und Wirtschaftsrettungen ein, während die SPD dafür abgestraft wurde, sich als "Staatsräson"-Partei zu gerieren.

So oder so wird die Luft für Merkel also dünner. Ein Angebot der SPD und Grünen lautet, in Europa-Fragen den Kurs von Merkel mitzutragen, bis Neuwahlen zum Bundestag einen Machtwechsel im politischen Berlin einleiten. Dieses rot-grüne Regierungsbündnis würde Deutschland und Europa sehr gerne mit Eurobonds beglücken, es ist ebenso unkritisch gegenüber der EU und dürfte noch mehr Steuergelder zu den ohnehin schon schwachsinnig hohen Garantien hinzufügen, um den Euro zu retten.

Beim alles beherrschenden Thema dieser Tage dürfte also auch ein etwaiger Regierungswechsel wenig Veränderungen herbeiführen, außer vielleicht, dass der Posten des Finanzministers von einem nicht ganz so harten Hund besetzt wird. Der amtierende Minister Schäuble jedenfalls hat in den letzten Monaten hart daran gearbeitet, sein Image als eiserner Kassenwart Deutschlands zu hegen und zu pflegen. Ob dies einem Trittin (Grüne) auch gelingt, ist ungewiss, auch weil die vermeintlich linken Parteien wesentlich besser im Geld ausgeben sind.

Die Planspiele in der Bundespolitik kommen zur Unzeit. Vor wenigen Tagen öffneten die weltgrößten Zentralbanken ihre Geldschleusen und beglückten die Großbanken mit unbegrenzter(!) Dollar-Liquidität. Damit dürfte der Zusammenbruch der großen europäischen Geldhäuser, allen voran der französischen, fürs Erste vom Tisch sein. Die Maschine zum Geldverdienen wurde wieder angeworfen, selbstredend auf Kosten der Bürger und Steuerzahler, die einerseits mit einer höheren Inflation konfrontiert werden und andererseits mit dem Umstand, dass das Geld, welches nun den Großbanken hinterhergeworfen wird, an anderer Stelle fehlt. Aber gut, Großbanken sind nunmal systemrelevant, während Bildung, Sozialversicherungen, Infrastruktur und andere Annehmlichkeiten des Westens hinten angestellt werden. Die Zentralbanken, die ihre Unabhängigkeit gegenüber der Politik immer mehr verlieren, wenn sie sie jemals gehabt haben sollten, vergessen dabei aber die Völker. Diese werden sich irgendwann die Frage stellen, ob sie ein derartiges System überhaupt wollen, in dem Geldhäuser gerettet werden, während immer breitere Bevölkerungsschichten verarmen.

Somit könnte sich der absehbare rot-grüne Wahlerfolg als Pyrrhussieg entpuppen. Es erscheint allerdings auch möglich, dass Griechenland als eine Art Bauernopfer die EU und die Euro-Zone verlässt. Das ewige Gequake, ein Austritt sei rechtlich nicht möglich, ist an Dummdreistigkeit kaum mehr zu überbieten. Selbstverständlich kann ein Land aus der EU und somit aus dem Euro austreten, Artikel 50 des EU-Vertrages regelt den freiwilligen Austritt aus der Union. Ein Rauswurf ist hingegen nicht möglich. Nun sind aber die Daumenschrauben, die Griechenland angelegt wurden, für hellenische Verhältnisse bereits bis zum Bersten gespannt. Die griechische Regierung sieht sich einem Volk gegenüber, welches die Sparmaßnahmen auf zunehmende Weise nicht mehr zu Tragen bereit ist. Da Griechenland auch medial im Fadenkreuz ist, könnte der Plan lauten, dass die Hellenen austreten und Merkel sich dafür anschließend feiern lassen könnte, weil die sparfaulen Griechen ja daran Schuld sind, dass die EU kleiner geworden ist.
Auch damit wäre aber lediglich Zeit gewonnen, da über weit mehr Länder der Pleitegeier kreist. Portugal, Irland, Spanien und Italien stehen schon in der Schlange, um von den Finanzmärkten "getestet" zu werden. Bei diesem Test dürfte beispielsweise die spanische Schuldenbremse, die ja in neun(!) Jahren eingeführt werden soll, nichts helfen.

Die Ablösung Merkels erscheint jedenfalls - um sich mal eines der Lieblingswörter unserer Kanzlerin zu bedienen - alternativlos. Ein Regierungswechsel allein macht aber noch keinen Politikwechsel. Ob nun mit oder ohne Merkel, der europäische Eiertanz wird mit ihrer Ablösung nicht aufhören...